Helfen macht glücklich!
Was kann man machen, wie kann man schnell und direkt helfen?
Nun, das ist erstmal individuell zu beantworten. Es ist zuerst gegenüber dem vor dir stehenden Menschen und der Sachlage geschuldet, wie man vorgeht. Vor allem wertschätzend und normal grüßen, den Bedürftigen eventuell in ein kurzes Gespräch verwickeln, um zu erkennen, welches Bedürfnis dieser Mensch gerade hat. Einige Fragen sind zuerst abzuklären, bevor man das Gespräch in die nächste Instanz bringt und eventuell zur Handlung ansetzt.
Hat dieser Mensch Hunger oder Durst? Friert er oder schläft er in einer Notschlafstelle, kann er sich diese überhaupt leisten? Was wird alles benötigt? Benötigt er warme Kleidung? Kommt als Ergebnis heraus, dass der Bedürftige Hunger hat, fragt man, ob man etwas kaufen kann, vielleicht Wurst- oder Leberkässemmeln oder ähnliches. Oft sagen die Bedürftigen, ob sie Geld bekommen, um sich selbst eine Jause kaufen zu können. Hiervon rate ich gänzlich ab, Bargeld auszugeben, da erfahrungsgemäß dieses sofort in Alkohol oder Drogen umgesetzt wird. Ich würde immer raten, Lebensmittel- oder Getränkespenden, eventuell Kleiderspenden (außer Unterwäsche und Socken, die bitte nur neu kaufen) den Menschen auszuhändigen.
Man macht den Menschen, die teilweise tief in einer Alkoholsucht leben, keinen Gefallen, diesem Wunsch nach Alkohol nachzukommen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, ich erinnere mich oft an Situationen zurück, wie es mir ging früher, als ich noch trank. Mir wäre damals am besten geholfen worden, wenn man mir mit Respekt die Meinung deutlich gesagt hätte, denn ich war wohl zu beirrt und zu betrunken um mein Auftreten nach außen klar „sehen“ zu können, ich beschönigte und bestritt den angetrunkenen Zustand immerzu. Auch die Schutzbehauptung: „Ich kann heute noch aufhören mit dem Alkohol, wenn ich will“ ist eben nur eine Schutzbehauptung, und nicht mehr. Daran erinnere ich mich auch heute nach 27 Jahren Abstinenz noch sehr genau. Ich hätte es aber auch nicht akzeptiert, wenn mir jemand gesagt hätte, was ich zu tun hätte. Es ist eine rhetorische Gratwanderung, einem Alkoholiker zu sagen, welches Bild er abgibt und dass es andere Methoden der Konflikt Bewältigung als den Alkoholkonsum gibt. Man kann auch einen Alkoholkranken Menschen niemals zum Aufhören bewegen, wenn es in seinem Kopf noch nicht angekommen ist, dass eigentlich der Alkohol das weitaus größere Übel ist. Wenn das im Geist noch nicht angekommen ist, ist es überhaupt sinnlos über einen Entzug oder ähnliches mit dem Menschen zu reden. Er wird zu allen Aussagen zustimmen, sich aber insgeheim denken: „Ja eh, aber es ist immer noch mein Leben und nicht deines, also mach ich, was ICH will und nicht was Du sagst“. Es muss etwas Einschneidendes passieren, damit sich ein Alkoholiker dem Leben ohne Alkohol und somit einem stationären Entzug stellt.
In den meisten Fällen ist nicht der Alkohol Auslöser der Obdachlosigkeit, sondern wird zunehmend beim Leben auf der Straße zum wichtigen Bestandteil, um die Situation nicht ins unerträgliche austragen zu müssen. Beim Leben auf der Straße kommen viele, viele Umstände dazu, mit denen man in einem normalen Leben niemals konfrontiert ist. Bis man sich einen Vorgehensplan zurechtgelegt hat, vergehen in der Regel mehrere Wochen. Hat man kein Geld, bekommt man keinerlei Leistung, muss man unbedingt schauen, woher man zumindest ein paar Euros bekommt, um z.B. auch auf die Toilette gehen zu können oder um mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren zu können. Zu eruieren woher man einen Schlafsack und eine Isomatte bzw. Decken bekommt, eventuell warme Kleidung und Schuhe, wo man einen halbwegs vor Regen und Kälte geschützten Schlafplatz findet, wo man sich tagsüber aufhalten kann, ohne mit jemanden in Konflikt zu geraten. Wohin man gehen kann, um sich zu duschen, um seine Wäsche zu waschen, woher man das Geld bekommt für Waschmaschine und Waschmittel, das alles löst puren Stress aus bei den Menschen, weil man lediglich auf sich alleine gestellt ist und, besonders im Sommer, von Zeit zu Zeit die Obdachloseneinrichtungen geschlossen haben und man wieder von vorne beginnen muss, sich Lösungen und Alternativen zu suchen.
Als Obdachloser ist man immerzu und dauernd auf der Suche nach Alternativlösungen, nach Möglichkeiten, um den ganzen Alltag irgendwie und überhaupt halbwegs zu schaffen. Der Alkohol bietet hier Bewusstseinstrübung an, um nicht alles im vollen, nüchternen Zustand ertragen zu müssen. Viele Verletzungen bleiben ohne Alkohol ungetrübt im Kopf, man denkt oft stundenlang über eine vergangene Situation nach und resümiert für sich, ohne die Situation noch ändern zu können. Aber die Verletzung lässt dich nicht ruhen, und hier hilft halt der Alkohol schnell und effizient, zu vergessen. Nur, Lösung ist es keine und der Mensch taucht immer tiefer in seine Alkoholkrankheit ein, um den unerträglichen Alltag nicht im vollen Bewusstsein erleiden zu müssen.
Neben all den unleidlichen Umständen auf der Straße auch noch auf sein Äußeres zu achten, gelingt Menschen, die schon jahrelang auf der Straße leben, immer weniger. Die persönliche Struktur geht meist durch die massiven Anstrengungen, durch die Kämpfe im Straßenalltag, gänzlich verloren. Alkohol und Drogen tun das ihrige noch dazu. Es gibt obdach- und wohnungslose, die sich tagsüber unerkannt unters Fußvolk mischen und abends z.B. irgendwo in einer Nische in einer Tiefgarage schlafen. Obdachlose erkennt man nicht immer nur am heruntergekommenen Äußeren, manche treten äußerst gepflegt auf.
Die wichtigste Botschaft aus diesen Zeilen ist, bitte mit Respekt und Wertschätzung diesen Menschen begegnen, sie eventuell an der Hand nehmen und irgendwo in einem Geschäft eine kleine Mahlzeit für sie zu kaufen. Zu helfen tut der Seele gut und ist so immens wichtig. Bitte schaut nicht weg. Auch gibt es Möglichkeiten z.B. am Südbahnhofmarkt bei der Kaffeerösterei Kurt Traxl, einen „aufgeschobenen Kaffee“ für einen Obdachlosen zu bezahlen. Kurt Traxl gibt diese „Kaffee-Spenden“ immer sehr gerne direkt an die bedürftigen Obdachlosen weiter. Gerne wird von den Obdachlosen dieses großartige Angebot von Kurt Traxl angenommen. Eine großartige Aktion für die Menschen auf der Straße. Früher gab es auch noch ein Gasthaus in Linz, wo es eine „aufgeschobene Suppe“ für die Obdachlosen gab, doch dieses Angebot wurde mit Auflösung des Gasthauses aufgelöst.
Es gäbe noch so viele verschiedene Wege zu beschreiben, wie man effektiv helfen könnte, die alle hier zu beschreiben würde den Rahmen sprengen.
Um direkt und effektiv zu helfen, haben wir 2018 unseren Verteil-Donnerstag ins Leben gerufen und seither sind wir, in diesen letzten 4 Jahren seit 15.8.2018, 187-mal an einem Donnerstag nach Linz gefahren und gaben dort Lebensmittel, Hygieneartikel, warme Kleidung, neue Schuhe, Schlafsäcke und Isomatten u.v.a.m. direkt an die Bedürftigen aus. Der Verteil-Donnerstag diese Woche ist der 188., den wir bestreiten. Alle Vorbereitungen sind wie immer abgespult worden, wir haben wieder genug Lebensmittel für alle mit und waren für viele Situationen gewappnet. Diese Woche wieder dabei, die Optiker und Menschen rund um Konstantin von Brillen Zwerger. Seit einigen Wochen vermessen sie die Augen der Obdachlosen und spenden auch die eingepassten Gläser samt Brillengestellen. Einfach eine großartige Aktion die letzte Woche auch in ServusTV vorgestellt wurde und großen Anklang findet.
Am Vormittag dieses Donnerstags halfen wieder Barbara, Matej und Rena. Sie belegten Brote und machten alles fertig zum Einladen in den Bus. Ich fiel leider einige Stunden aus, Brechreiz und Drehschwindel waren der Grund. Zu Mittag ging es mir dann wieder halbwegs gut und ich konnte mithelfen, den Bus einzuladen. Wie es ein eingespieltes Team eben schafft, war der Bus innerhalb 1 Stunde beladen. Jetzt blieb noch genug Zeit für Smalltalk und andere Gespräche im Kreise des Teams. Um 15.10 Uhr war Abfahrt, Rudi fährt mit mir, Beate ist schon vorgefahren nach Linz, um unseren Platz freizuhalten. In Linz angekommen warteten schon einige Menschen auf uns. Im Nu war ausgeladen und alles „angerichtet“, wir mussten aber noch bis 16 Uhr warten, ehe wir beginnen konnten.
Noch vor Ausgabebeginn kam G., ein Obdachloser zu den Optikern, um sich eine Brille anpassen zu lassen. Er wurde am Verteil-Donnerstag vor 14 Tagen beobachtet, wie er ein Brillengestell aus dem Repertoire der Optiker gestohlen hat. Ich rede ihn an und stelle ihn zur Rede, möchte wissen, was er sich dabei gedacht hat. G. beginnt alles lautstark abzustreiten und mich anzuschreien, anzuspucken und holte schließlich aus, um mir eine Ohrfeige zu geben die sitzt. Das geht zu weit, viel zu weit! Ich mache ihm deutlich, dass er hier nichts mehr verloren hat, sich auch heute und die nächsten Wochen nicht mehr um Lebensmittel anstellen braucht. Wer auf diese Weise gegen mich/uns vorgeht, hat erstmal Pause, G. hat nun einige Zeit, um nachzudenken, ob das, was er machte, richtig war. Er beschimpfte dann auch noch unsere Optiker und drohte ihnen. Bei solch eskalierenden Situationen ist es wichtig, sich nicht von Emotionen leiten lassen und nicht die Situation weiter aufquellen zu lassen, was mir ganz schwer fällt. Uns mit Gewalt zu begegnen, geht gar nicht und schreit nach Konsequenzen, die wir auch gleich setzten.
Punkt 16 Uhr begann unser Team mit der Ausgabe. Alles ruhig, alles unter Kontrolle, und da stellt sich der Streithansl von vorher doch tatsächlich in die Reihe, um sich Lebensmittel zu holen. Wir machten ihm deutlich, dass er sich erst gar nicht anstellen braucht, da er nichts bekommt. Wutentbrannt und schimpfend geht G. weg. Wir konzentrieren uns auf alle anderen, die in der langen Schlange darauf warten, auch Lebensmittel zu erhalten. Einige brauchen dringend Regenjacken, neue Schuhe, neue Unterwäsche und neue Socken, Zelt und Schlafsäcke mit Isomatten, alles haben wir dabei und unsere großartige Ingrid ist Herrin über all diese Spenden. Es sind auch heute wieder einige neue Besucher beim Bus, die erst unser Formular ausfüllen müssen und einen Einkommensnachweis zu erbringen haben. Beim 1.-mal bekommt jede/r Lebensmittel, erst wenn die Unterlagen gebracht wurden, bekommen die Menschen weitergehende Hilfe in Form von neuer Kleidung usw.. Wir müssen uns erst über jede einzelne Bedürftigkeit versichern, um auch wirklich alle Spenden dorthin zu geben, wo diese dringend benötigt werden. Was ja unser Versprechen ist, das wir immer wieder erneuern wollen.
Manche kommen mit 3 Taschen und einem großen Rucksack, wo wir aber die Menge dann einschränken, denn diese Menge Lebensmittel kann niemand konsumieren und bevor man unsere Spenden wegwirft, limitieren wir die Ausgabemenge. Aber jede/r bekommt so viel mit, dass er/sie genug für die Zeit hat, niemand also muss hungern. Auch möchten manche neue Schuhe, tragen aber heute noch gute, wo wir dann leider ablehnen müssen. Erst wenn die Schuhe kaputt sind, werden neue ausgehändigt. Es hat niemand Anspruch auf mehrere Paar Schuhe, sorry, das ginge zu weit. Wenn die getragenen Schuhe kaputt sind, gibt es neue, vorher nicht.
Ziemlich am Ende des Verteil-Donnerstags kommt dann Ch., der gerne Prospekte zum Lesen hätte, aber nicht weiß, woher er sie bekommt. Deshalb hat er bei einem sozialen Verein, wo er früher begleitet wurde, ein paar Prospekte genommen und wurde erwischt. Die Drohung dieses Vereins gegenüber Ch.: „Wir werden bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Diebstahl erstatten“. Ch. kam panisch vor Angst zu uns und erzählte von der Anzeige, die hier im Raum steht. Dieser Verein ging auch in der Vergangenheit nicht gut mit Ch. um, und treibt ihn jetzt, wo sie Ch. nicht mehr begleiten, von einer Eskalation in die nächste. Warum man das macht, keine Ahnung, aber es ist entwürdigend und menschenverachtend. Ch. ist besachwaltet und auch der Sachwalter kümmert sich nicht um die Anliegen seines Schützlings. Schon komisch, dass immer öfters solche Personen Sachwalter werden, die schon 40-50 andere Sachwalterschaften haben und alle Anliegen ihrer Schützlinge pauschal als „uninteressant“ abtun. Hier sollte man nicht blind sein, wenn diese Willkür um sich greift. Ch. konnten wir wieder beruhigen und er hat uns versprochen, nirgendwo mehr rumliegende Prospekte mitzunehmen.
Das Team um Optiker Konstantin hat auch heute wieder großartig mitgeholfen, beim Austeilen, sie alle sind eine echte Bereicherung für unseren Verteil-Donnerstag, menschlich wie sachlich. Leider fehlt heute eine wichtige Person, unsere Sr. Lydia, die leider krank ist und der wir auf diesem Wege gute Besserung wünschen, alles Gute!
Um 18 Uhr nach getaner Arbeit, laden wir alles ein und brechen auf Richtung Lager in Ansfelden. Wir sind schon so toll eingespielt, dass das Ein- und Ausladen immer ganz schnell geht. Konstantin, Hannah und das Team von Brillen Zwerger fahren gleich Richtung Bad Ischl und kommen nicht mehr mit ins Lager. Im Lager hat uns Karin heute Mittag noch einen Nudelsalat mitgenommen und Barbara kochte extra Haschee Fleckerl für uns, nun gilt es auch hier noch zuzugreifen und den Tag Revue passieren zu lassen. Gemeinsam sitzen wir anschließend immer noch in unserem Lager und diskutieren manche Vorkommnisse und Meinungen, was enorm wichtig ist für unser Team. So geht wieder ein Tag zu Ende, der ein gutes Gefühl brachte, der uns auch wieder zeigte, dass 99% unserer Schützlinge dankbar sind für unseren Dienst, und das restliche 1% haben wir auch im Griff.
Vielen, lieben Dank und Vergelt’s Gott für diesen Verteil-Donnerstag an all unsere Spender/innen und Wegbegleiter/innen, DANKE dass wir auch dieses mal wieder helfen durften und die Not lindern konnten. Vergelt’s Gott und habt großen Dank. Euch allen Gottes Segen und alles liebe. 😊 <3