Wieder 2 Menschen weg, von der Straße!
Nachdem ich die letzten Tage und Wochen etwas kränklich...
...war und ich mir kein Posting in üblicher Länge zutraute, melde ich mich heute wieder zurück, zwar immer noch mit Zahnschmerzen, aber es geht wieder aufwärts. Es hat sich etwas getan, bei unseren Schützlingen und bei uns.Letzten Samstag auf unserer Linz-Tour war so weit alles halbwegs „normal“, was man hier überhaupt „normal“ nennen kann. Am Terminal war ein älterer Obdachloser, der sich bei einem Sturz die rechte Hand derartig verletzte, dass der Handrücken aufgequollen war und eine massive Verletzung war sichtbar. Dass scheinbar auch der Oberarm gebrochen war, stellte sich erst im Laufe des Gesprächs heraus. Die Hand und er ganze Arm sahen nicht wirklich gut aus, eine zusätzliche Blutvergiftung war der Verdacht. Rettung angerufen, Polizei kam. Die 2 Damen von der Polizei waren nett und erkundigten sich wie das passiert ist.
Es war viel los am Terminal, viele Schützlinge, die dort schlafen. In den nächsten Wochen werden dort ja alle „delogiert“, weil das Terminal „Obdachlosensicher“ gemacht wird, so dass niemand mehr im Terminal schlafen kann. Wieder einmal treibt man die Obdachlosen in Linz vor sich her, vertreibt sie von allen Plätzen, und NIEMAND sagt, wo sie bleiben und schlafen dürfen. Es ist ein leichtes für einen Beamten die Menschen in einer unmöglichen Art von Platz zu Platz vor sich herzutreiben, ohne auch nur den Ansatz einer Menschlichkeit erkennen zu lassen. In Linz sind sich die Behörden einig, dass die Obdachlosen nicht ins Stadtbild passen und verschwinden müssen. Menschenverachtend!
Nach vielen Gesprächen und vergangenen 2 Stunden wussten wir um alle Probleme, die Menschen am Rande der Gesellschaft so haben. Ich bin gespannt, wie sich in den nächsten Tagen und Wochen die Situation am Terminal zeigen wird, ich werde hier jede Aktion, die gegen die Obdachlosen geht, fotografieren und dokumentieren, weil es nicht sein kann, dass man mit den ärmsten Menschen so umgeht. Nach der Linz-Tour am Samstag, die bis nach Mitternacht ging, stand eigentlich ein Kurzurlaub für 4 Tage in Gmunden an, der leider nichts wurde, weil heftiges Zahnweh alles zunichtemachte. Der Zahn wurde am Dienstag gerissen, und die Schmerzen sind trotzdem geblieben, bis heute.
Am Montag kümmerte sich unsere Barbara um Markus, unseren Maler- und Lackiermeister aus Bayern, den wir vor 14 Tagen in ein Zimmer am Gründberg gaben. Barbaras Lebensgefährte Martin, legte für Markus die Leiter zu der Firma, wo er tätig ist. Barbara und Marlene schrieben eine Bewerbung für Markus und gaben diese bei einem tollen Gespräch in der Firma ab. Ein Termin, dass Markus 14 Tage Probearbeiten kann, wird nächste Woche folgen. Wenn Markus diese 14 Tage gut übersteht, wird er von der Firma angestellt und bekommt eine Bescheinigung, so dass er seinen weiteren Weg hier bei uns gehen kann. Markus trinkt seit 3 Wochen nichts mehr, er zittert ein wenig vom Entzug, aber er ist fest entschlossen, diese Chance zu nutzen. Markus tut das Leben abseits der Straße gut, er lebt auf und erkennt auch die Riesenchance, die er gerade bekommt. Barbara und ich werden uns gemeinsam um Markus kümmern, wenn er Probleme hat, etwas braucht oder Hilfe benötigt, wir werden da sein. Von einer großen Einrichtung werden wir dafür gerügt, weil wir obdachlose Menschen, die das Leben auf der Straße nicht mehr schaffen, in Zimmer geben. Warum sich immer wieder vereinsfremde „Sozialarbeiter“ in unser Wirken einmischen, entzieht sich meiner Kenntnis. Jeder soll doch so helfen, wie er kann und es für richtig hält. Wir helfen direkt, schnell und effektiv, denn nur so ist unseren Schützlingen auch wirklich geholfen. Und wenn wir sehen, dass es ein Mensch auf der Straße nicht mehr schafft, greifen wir ein, weil wir nicht „mitschuldig“ sein wollen, sollte etwas Schlimmes passieren.
Die Woche begann für mich dann am Mittwoch, wo ich mit Spendenabholungen und all den Vorbereitungen für den Verteil-Donnerstag beschäftigt war. Abends dann bekam ich von Sr. Lydia eine WhatsApp Nachricht, „Günther, der schwerkranke Obdachlose, wird morgen (Donnerstag) aus dem Krankenhaus wieder auf die Straße entlassen“. Ich telefonierte und bat Dieter (Wirt zur ew‘gen Ruh‘) um ein Zimmer für Günther. Dieter sagte sofort zu, also am Mittwochnachmittag zum 3. Mal nach Linz-Urfahr fahren, um mich mit Dieter zu treffen und mir das Zimmer anzuschauen. Dieter kam mit Yvonne und beide waren derart entgegenkommend, dass wir nicht nur das Zimmer sofort zugesagt bekamen, nein, wir bekamen auch einen Sonderpreis. Wäre Günther auf die Straße entlassen worden, gäbe es ihn schon nicht mehr, jeder Mensch weiß wie geschwächt man nach einem Krankenhausaufenthalt ist, und das Terminal wäre für Günther tödlich gewesen. Dieter gab mir die Schlüssel, wir hatten nur noch ein organisatorisches Problem, wie kommt Günther, der am Donnerstagnachmittag entlassen wird, zu seinem Zimmerschlüssel? Ein neuerlicher Anruf bei Sr. Lydia brachte dann die Zusage, dass sich Sr. Martha um Günther kümmern wird und ihn ins Zimmer begleiten wird. Danke an dieser Stelle.
Der Mittwoch war dann auch abends noch sehr anstrengend, weil dauernd jemand angerufen hat, dass jemand Hilfe braucht und sich selbst nicht helfen kann. Ich bin dann am Mittwoch abends nach Linz gefahren und habe mir die Situation vor Ort angeschaut und den Menschen am Terminal zugehört, jeden Tag passiert hier eine andere Gemeinheit, auf dem Rücken der Obdachlosen. Ich gehe jetzt hier nicht weiter auf diese Vorkommnisse ein, weil ich einfach nur mehr wütend bin, über so viel Verachtung, die unseren Obdachlosen entgegengebracht wird. Nach 3 Stunden Terminal bin ich wieder heimgefahren, ohne etwas erreicht zu haben. Am Donnerstagvormittag waren die Vorbereitungen für die Verteilung am Nachmittag angelaufen.
Heute half uns auch Rena, bei all den Arbeiten. Kimi war auch dabei und bestaunte uns aus der Nähe, sie bricht förmlich alle Herzen mit ihrer Liebenswürdigkeit. Zu Mittag kam uns dann Silvia zu Hilfe, wie immer mit frisch gebackenem Kuchen und anderen Leckereien. Dann besuchte uns dann noch ein Herr im gesetzten Alter, der uns aus dem tiefstem Mühlviertel tolle Lebensmittelspenden brachte und ab sofort auch bei uns mitmacht, mithilft, weil ihn unsere Aktion überzeugte. Wir sind glücklich über jede helfende Hand, über jede Minute wo uns jemand Hilfe spendet. Herzlich willkommen im Team. Im Lager sind wir heute nur zu viert und ich merke schon, dass es heute anstrengender ist als sonst, wenn wir mehr Helfer/innen zur Verfügung haben. Auch die in den letzten Tagen zu viel eingenommen Schmerztabletten zeigen ihre „Wirkung“ und setzen mir zu. Um 15.20 Uhr jedenfalls ist alles bereit zur Abfahrt. Bei mir fährt Edith mit, alle anderen bei Barbara im Tourbus.
In Linz angekommen weht der eiskalte Wind mir den quer daherkommenden Schnee auf die Glatze und zeigt mir, dass es heute unangenehm werden könnte. Wurscht! Ausladen, aufstellen, alles fertig machen für die Verteilung. Dani, unsere Dani kommt überraschend heute zum Helfen, wir freuen uns sehr. Am Ende werden es wieder 93 Menschen sein, die uns heute besuchen und sich mit dem Nötigsten für die nächsten Tage versorgen. Felix, der eigentlich am vergangenen Dienstag Probearbeiten sollte, entschuldigt sich für sein Verhalten, er ist von der Kaffeepause nicht mehr zurückgekommen, einfach gegangen. Ich sage Felix, dass das schon eine unmögliche Art ist, sich „auszudrücken“, einfach zu gehen und kein Wort zu sagen. Felix hatte seine Chance, die er diesmal nicht nutzte. Ich werde für Felix keine Arbeit mehr suchen, das sagte ich ihm auch deutlich, worauf er sich für sein Verhalten entschuldigte.
Tja, unsere Schützlinge reagieren halt nicht wie die Masse der Gesellschaft, sonst wären sie ja teilweise nicht auf der Straße. Das muss man leider so deutlich sagen. Wir verurteilen deshalb trotzdem niemanden, weil er an irgendeiner Lebensampel falsch abgebogen ist, wir stellen die Schuldfrage nicht, sie würde uns nicht weiterbringen. Die Reihe wird immer länger, immer unübersichtlicher, Max und ich sind drauf und dran, den einfahrenden Bussen die Straße freizuhalten. Viele Neue sind heute wieder zu Besuch bei uns, neue Gesichter, und alte Gesichter, die ich schon jahrelang nicht mehr gesehen habe. Wir geben an alle die in der Notschlafstelle schlafen, wieder Jetons aus, heute gesamt 72 Jetons à €4,06, jede/r bekommt 2 Jetons. Markus kommt auch, ich gebe ihm die frisch gewaschene Wäsche, die ich letzten Samstag zum Waschen mitgenommen habe.
Der heiße Tee wird heute wieder sehr gerne getrunken, wir haben 20 Liter mit. Es wird dunkel und wir müssen alle Besucher heute daran erinnern, dass sie spätestens nächste Woche einen Einkommensnachweis mitbringen müssen, oder wenn sie kein Einkommen haben, einen Versicherungsdatenauszug der Krankenkasse, damit wir nicht ausgenutzt werden. Wir haben Euch versprochen, mit all den sorgsam umzugehen, und das verstehen wir auch darunter, zu kontrollieren, ob jemand die Spenden auch wirklich benötigt.
Als es dunkel wird kommt Rene, auf der Rückseite zu uns, er bittet mich um ein Gespräch. Rene ist schwerkrank und kommt grade aus dem Krankenhaus, er wurde wieder aufgeschnitten am Bauch. Rene hatte bis vor wenigen Wochen noch alles, eine Wohnung, Arbeit, seine Mutter usw.. Als vor wenigen Wochen seine Mutter starb, begann sich die Spirale zu drehen. Rene musste aus der Wohnung heraus, verlor seine Arbeit, verlor alles was er hatte. Diesmal hat Rene die alte Meldeadresse angegeben, und im KH kam man ihm auf die Schliche und entließ ihn deshalb aus dem Krankenhaus. Er schämte sich anzugeben, dass er in der Notschlafstelle schläft. Er weint, zittert und bringt keine zusammenhängenden Sätze heraus. Ich hole unsere Barbara zum Gespräch dazu und schlage vor, für Rene ein Zimmer zu besorgen, auch er würde die Nacht auf der Straße nicht überleben. Ich rufe wieder Dieter an und bitte ihm um ein weiteres Zimmer, diesmal für Rene.
Rene hält es in der Notschlafstelle nicht mehr aus, der „Erholungsfaktor“ dort ist gleich Null! Dieter sagt mir zu, zu helfen. Zu den gleichen Bedingungen wie bei Günther bekommen wir ein 2. Zimmer, diesmal für Rene. Er kann es nicht glauben und fällt uns um den Hals, rechtfertigt sich dauernd und möchte alles irgendwann zurückzahlen. Ja, lieber Rene, aber zuerst wirst du einmal gesund. Immer wieder bedankt er sich und will erklären, wie es zu dieser Situation kam, ich falle ihm ins Wort, weil ich nicht möchte, dass sich Rene dauernd rechtfertigen muss. Ich sage ihm zu, ihn heute Freitag von der Notschlafstelle abzuholen und ihn in sein neues Zimmer zu bringen. Als ich dann am Freitag angerufen habe, dass er sich fertig machen soll, weil ich ihn jetzt abhole, begann er wieder zu weinen am Telefon: „Das ist doch alles nicht wahr, oder? Du kannst doch nicht einfach so helfen, das habe ich doch gar nicht verdient“. Ich falle ihm ins Wort und bitte ihn damit aufzuhören, ich erkläre Rene, dass Rena und ich damals den Verein genau für solche Menschen gründeten, die dringend schnelle Hilfe brauchen und nicht wochenlang warten können. Rene ist mittlerweile im Zimmer und kann sich dort ausrasten, er muss am kommenden Montag wieder ins Krankenhaus, diesmal gibt er die echte Meldeadresse an, die seines Zimmers. Die ersten Schritte in die richtige Richtung sind getan, wir werden auch Rene begleiten, morgen schon auf der Linz-Tour werden wir Günther und Rene besuchen, auch um zu sehen, dass es den Beiden gut geht.
Der Verteil-Donnerstag ging dann still und leise zu Ende und wir spüren alle den eiskalten Wind, die Finger steif und der ganze Körper trotz warmer Kleidung, durchgefroren, wir sind jetzt froh, heimzufahren. Unsere Schützlinge können das nicht, sie müssen draußen bleiben und die eisige Kälte ertragen. Still und heimlich bete ich ein stilles Gebet auf der Heimfahrt, für all unsere Schützlinge, dass niemand gesundheitlichen Schaden davontragen soll, ob dieser Kälte und der ganzen Umstände.
Die Welt ist heute für uns wieder ein bisschen besser, wo wir jetzt wieder 2 Schützlinge von der Straße weg in einem Zimmer unterbringen konnten. Sollen die Herren und Damen „Sozialarbeiter“ doch schimpfen, weil wir wieder schnell und im Sinne der Menschlichkeit den Menschen helfen konnten. Angekommen im Lager helfen wir alle zusammen, alles auszuräumen und wieder einzulagern, alles zu reinigen und zu putzen. Das ist so ein erhobenes Gefühl, wenn wirklich alle an einem Strang ziehen, ein tolles, großes Gefühl! Wir werden bei all den anstehenden Veränderungen, bei den Menschen, bei den Behörden, bei den Verantwortlichen des Terminals, am Ball bleiben, und euch weiter berichten, was aus diesen Plänen und Vorhaben, wurde.
Ich aber bedanke mich für Eure Aufmerksamkeit, für Eure Zeit und für alle moralische Unterstützung, die ihr uns immer wieder angedeihen lasst. Danke und Vergelt’s Gott. Und Danke dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag wieder machen durften und vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern durften. Vergelt’s Gott und Danke auch unserem großartigen Team. 😊