Unhaltbare Zustände und solche Forderungen!
Nach einem Samstagvormittag...
Nach einem Samstagvormittag, wo wir zu dritt und somit hoffnungslos unterbesetzt die Spendenannahme und die Kommissionierung der Linz-Tour und des Verteildonnerstags zu machen hatten, starteten Nicole (die sich unsere Aktion aus der Nähe anschauen möchte, bevor sie eventuell in unseren Verein kommt) und ich, um 18 Uhr bei der Metro Linz. Erste Anlaufstelle wie immer, Linzer Schillerpark, wo auch heute niemand war, anschließend Volksgarten, wo die ganzen Weihnachtsmarkt-Anhänger schon aufgestellt werden und von Weiten sichtbar die Polizei Präsenz zeigt. Wir finden 4 unserer Schützlinge, die aber nichts brauchen, also fahren wir weiter zum Bahnhofsareal. Im Park vorm Bahnhof treffen wir einige unserer Schützlinge, die auch mitkommen zum Bus, weil sie etwas brauchen. Wir gehen eine große Runde und beim Warten vorm Haupteingang kommt der 14jährige R. mit einem Roller aus der Bahnhofshalle. R. hat einen richtig, richtig bösen Spruch drauf, der mir zeigt wie abgebrüht er schon ist und in welche Richtung er tendenziell neigt. Er neigt jetzt schon, in diesem Alter zu Gewalt und schweren Drogen, zu Alkohol und menschlichen Abgründen. R. ist in einer beaufsichtigten Wohngemeinschaft im Raum Linz-Land, die R. aber so überhaupt nichts zum Entgegensetzen haben. R. kann mühelos um 23 Uhr das Haus verlassen, um dann früh morgens um 4 Uhr dorthin zurückzukehren. Er kennt die Regeln, aber Regeln sind da, um gebrochen zu werden usw., sagt ein 14jähriger Junge, Wahnsinn!In den wenigen Minuten vorm Haupteingang gesellt sich dann noch ein 15jähriges Mädchen dazu, die den gleich argen Spruch drauf hat, wie R. und ebenfalls aus einer WG stammt in Linz, und sich offensichtlich schon prostituiert, um sich Drogen und Alkohol zu finanzieren. Es ist der helle Wahnsinn, was zurzeit abgeht, in ganz Linz, denn es ist kein Problem des Bahnhofviertels alleine. Als Nicole vom Mäcki zurückkommt gehen wir zurück in den Park und nehmen alle mit zum Bus, die etwas brauchen. Alle bekommen ein Sackerl und sie alle sind dankbar, dass wir diese Tour machen und nicht auf sie vergessen.
Weiter geht’s es mit der Tiefgarage, wo heute niemand liegt oder vegetiert, deshalb fahren wir die paar Meter weiter zum Linzer Terminal, wo zurzeit erschreckend viele Obdachlose schlafen. Unser Parkplatz bei Gaby gehört auch heute uns, und wir gehen zurück und fangen ganz vorne an, wo auch Elvisa sitzt und ein paar Neue, die letzte Woche delogiert wurden. Einer ist dabei der nur aggressiv herumschreit und dauernd eine Stimmung verbreitet, die voller Gewalt ist. Ich bitte ihn damit aufzuhören was mir lediglich seinen sich mir zeigenden Mittelfinger einbringt. Egon, der Ex-Mann von Renate kommt zum Bus, hinter ihm ein neuer Obdachloser, dem Egon grundlos einen Faustschlag neben mir verpasst, binnen Augenblicke rinnt richtig viel Blut aus der Nase des Obdachlosen. Ich weise Egon zurecht, weil der andere überhaupt nichts getan hat. Ich schicke Egon weg und versuche das Nasenbluten zu stillen, was dann auch nach einiger Zeit gelingt.
Also schnell noch abfragen hier wer was braucht und zurück zum Bus, dort ist es ruhiger. Elvisa kommt mit, und Gaby steht auch schon beim Bus. Beide bekommen Lebensmittel und Hygieneartikel, Gaby bekommt noch eine Jogginghose, Unterwäsche und Socken sowie eine warme Decke zusätzlich, die Nächte sind schon sehr kalt. Gaby schaut nicht gut aus und kränkelt ein wenig, seit Wochen. Wir halten Abstand und schauen sehr darauf, uns nicht anzustecken.
Als wir unsere Runde weitergehen kommen wir zu Renate und Egons Schlafplatz und möchte von Egon ein paar Antworten haben, wegen seinem aggressiven Verhalten von vorher. Er schreit nun diesmal mich an, macht mich verantwortlich, weil irgendjemand ihnen eine Wohnung versprochen hat und der Mietvertrag wurde dann mit jemand anderen unterschrieben. Bei dieser Gelegenheit fordert er auch von mir € 6000,-, weil wir 2018 über unsere Spender einen Aufruf starteten für Renate, sie litt damals enorm unter ihren schwer entzündeten Beinvenen und am gesamten Gesundheitszustand, und bat mich damals um Hilfe, ob ich ihr eine Wohnung besorgen könne, sie wollte damals weg von der Straße. Wir bekamen von der GWG ein 20m² Zimmer in der Franckstraße angeboten, und Ihr werte Spender, habt damals die Kaution und die Monatsmieten für ein ganzes Jahr gespendet, damit Renate weg kommt von der Straße. Um eine Nachhaltigkeit zu erreichen und dass Renate nach 1 Jahr, wenn wir als Verein Renate die Wohnung an sie überschreiben lassen und uns zurückziehen, die Kaution hinterlegen kann, machten wir als Obdachlosenhilfsaktion.at einen Ansparplan, der monatlich € 350,- vorgesehen hätte, die auf ein gesperrtes Konto gekommen wären, natürlich für Renate. Sie hätte nichts bezahlen müssen für Miete, Strom, Wasser und hätte die Lebensmittel und Hygieneartikel auch von uns bekommen. Renate stimmte diesem Ansparplan nicht zu, nach fünf nächtlichen, ergebnislosen Diskussionen mit Renate, gaben wir dann schweren Herzens die Wohnung an die GWG zurück und haben in unserer Gruppe damals alle Spender gefragt, was wir mit dem gespendeten Geldmachen sollen? Ob wir es rücküberweisen sollen oder dafür Lebensmittel für unsere Aktion kaufen sollen. Ergebnis war einstimmig, niemand wollte seine Spende zurück und wir sollen Lebensmittel kaufen, was wir auch nachweislich machten. Diese gespendeten € 6000,- von damals fordern Renate und Egon nun von mir ein, Zitat von gestern: „Du (also ich), hast uns über € 6000,- gestohlen, gib uns zuerst das Geld dann kannst du mich wieder anreden“. Starker Tobak, wo ich jeden Cent nachweisen kann und natürlich den ganzen Verlauf von damals dokumentiert habe. Und, dieses Geld wurde ja gespendet für die Wohnung, die Renate wegen ihrer Uneinsichtigkeit nicht bezog, und nicht für ihr „Vergnügen“. Jedenfalls lasse ich mir von niemandem solch unhaltbare Vorwürfe vor die Beine werfen, das tut grade richtig weh. Ein lautes, aggressives „Schleich dich, wir brauchen von dir nichts mehr“ von Egon, lässt mich Kopfschüttelnd zum Nächsten gehen.
Jemand liegt hier unter 2 zerwuzzelten Schlafsäcken, die Beine frei und der Kopf zugedeckt, ich grüße laut und … Günther, der kranke Obdachlose schaut unter den Schlafsäcken hervor. Günther ist schwer krank und trockener Alkoholiker, seit 2 Jahren. Ich merke sofort, dass Günther wieder getrunken hat: „Ja, 1 Flasche Wodka, weil ich gestern die Schmerzen nicht ausgehalten habe“. Es entlockt ihm ein: „Mann oh Mann, was habe ich jetzt wieder für einen Blödsinn gemacht“. Günther mag nicht mehr leben, er sagt das bestimmt 20mal, dass er auf sein Leben keinen Cent mehr wettet, er mag nicht mehr. Ich merke wie er sich teilweise vor Schmerzen krümmt und ich weiß auch, wenn ich Günther hier heute liegen lasse, ist er morgen Tod. Ich rufe Sr. Lydia an und dann die Caritas, ob wir ein Bett im Caritas Krankenzimmer haben können für Günther, leider ist am Wochenende niemand in Linz der uns das genehmigen könnte. Also rufen wir die Rettung, die auch bald kommt und Günther einpackt. Sein vermeintlich gestohlenes Handy finden wir am Boden unter der Decke, was ich ihm heute Sonntagnachmittag ins Krankenhaus bringen werde. Nachdem die Rettung abgefahren ist, packen wir noch seine ganzen Habseligkeiten in den Transporter und fahren, Richtung Donaulände.
Florian hat sich Winterschuhe gewünscht, er hat bisher nur Crogs getragen, aber seine Füße machen das nicht mehr mit im Winter, meinte er letzte Woche. Wir haben festes Schuhwerk Größe 46 mit für ihn, die Vorstellung im Brucknerhaus geht gerade vorüber und viele, viele Menschen gehen dem Gehweg entlang und beobachten uns. Bei Florian angekommen biete ich ihm die Schuhe an und Handschuhe, er kommt mit zum Bus, wir gehen über die dunkle Wiese, um niemandem in Abendrobe zu begegnen. Mit meiner Taschenlampe leuchte ich Florian den Weg und am Bus angekommen, lehnt er diese festen Schuhe dann doch wieder ab, er tut sich schwer mit neuen Sachen, er hätte dann doch gerne wieder Crogs, die ich dann nächste Woche bringen werde.
Von Florian geht es zu Franziska und Gerald, die uns beide heute sehr freundlich empfangen. Franziska ist verschnupft und grippig, deshalb Abstand einhalten. Emma, ihr Hund begrüßt mich überschwänglich und voller Freude. Gerald lehnt auch heute wieder jede Hilfe ab, Franziska kommt mit zum Bus und nimmt für Gerald aber auch wieder Lebensmittel mit, da er die letzten Male immer die Sachen auch aufgegessen hat. Ungewöhnlich schnell sind wir hier heute fertig, Franziska erzählt noch, dass sie vom Ordnungsdienst in einer öffentlichen, unversperrten Toilette, wo es Warmwasser gibt und sie sich ihren Unterlaib gewaschen hat, verwiesen wurde. Ein Ordnungsbeamter hielt nach Aussage von Franziska, während sie sich fertig gewaschen hat, die Tür auf, damit es kalt reingeht und sie sich beeilt. Sie könne sich hier nicht einfach waschen war scheinbar die Kernaussage, jetzt frage ich, WARUM NICHT? Die Umgangsweisen der „Ordnungsdienstler“ sind mehr als menschenverachtend und weit unter der Gürtellinie, sollte sich das wirklich so zugetragen haben, was wir auch des Öfteren von anderen bestätigt bekommen. Franziska wird sich noch schonen und schauen wieder auf die Beine zu kommen.
Unsere nächste Station ist Gertrude am Grundberg, die sich für ihr Verhalten tausendmal entschuldigte, eine Aussprache ist unbedingt notwendig. Sie schämt sich ob ihres Verhaltens und bittet nochmal, gegenüber sitzend, um Verzeihung. Ich mache ihr die Situation klar, dass ich mir ein 2. Mal so ein Verhalten nicht gefallen lassen werde. Sie verspricht mir hoch und heilig, Besserung. Ich bin gespannt und gebe ihr eine 2. Chance. Sie und der schwer kranke Rainer kommen noch mit zum Bus und Rainer braucht dringend eine warme Jacke und warme Schuhe, er hat nur löchrige Turnpatschen. Kein Problem, wir haben die Situation aufgelöst und probieren es nochmal unter neuen Zeichen, hoffentlich hält sich Gertrude an ihr Versprechen, sonst muss ich sie daran erinnern, was ich sicher tun werde.
Nächste Station, es ist mittlerweile 22.30 Uhr, Pleschingersee und Fernheizwerk, beide ohne Menschen, was uns den heutigen Linz-Tour Tag beenden lässt. Der Samstag- Abend war sowas von heftig, emotional, psychisch und menschlich, ich habe viel aufzuarbeiten am heutigen Sonntag. Ich muss auch Günther im Krankenhaus besuchen und ihm das Handy bringen, da er am Dienstag einen immens wichtigen Termin hat, den er jetzt absagen kann, was ohne Handy nicht möglich gewesen wäre. Um kurz nach 23 Uhr setzte ich Nicole, die nach Hause musste zu ihrem Jungen, bei der Metro aus und habe dann kurzerhand entschieden, den Bus erst heute Sonntag auszuräumen und die Sachen wieder einzulagern. Sodale, jetzt sag ich noch DANKE an all unsere Spender, dass wir auch diese Tour fahren durften, und wünsche Euch allen einen erholsamen Sonntag und alles liebe. :-)