Regen, Schnee, Kälte und kein Unterdach!
Die Woche begann stressig wie immer, unübersichtlich und fremdbestimmt.
Spender/innen geben mir Termine vor, wann sie ins Lager kommen und Kleidung abgeben wollen. Auf meinen „Einspruch“, dass wir seit geraumer Zeit keine Kleidung annehmen können, reagieren viele Spender/innen ungehalten, manche stellen uns die „Kleidung“ dann einfach vor unser Tor, teilweise nicht einmal in Kartons, sondern einfach nur auf den Boden gelegt. BITTE nicht falsch verstehen, wir sind sehr, sehr dankbar über jede noch verwendbare Spende, aber was wir teilweise in den Schachteln und Kleidersäcken vorfinden ist einfach nur Müll! Seit Jahren abgelaufene, bereits geöffnete, kaputte Lebensmittel, verdreckte, verölte oder gar verschimmelte Kleidung, kaputte Schuhe, verschmutztes, kaputtes Kinderspielzeug und Kuscheltiere, die wir nur noch kostenpflichtig entsorgen können. Wir sind weder undankbar noch abgehoben, aber wenn wir am Telefon schon sagen, wir können keine Kleidung u.ä. annehmen, und dann legt man uns diese Sachen einfach vors Tor, so geht „helfen“ nicht, sorry! Ich musste das hier anmerken, weil sich die zahlreichen Kleidersäcke vor unserem Tor nicht mehr verheimlichen lassen. Wir dürfen aber vorm Tor weder etwas ablegen noch einfach etwas abstellen, bitte berücksichtigt das doch bitte. Wir bekommen die größten Schwierigkeiten mit unserem Vermieter, der Fa. TAB! So geht das nicht, bitte.Am Montag rief mich ein Herr an, Fritz ist sein Name und er geht regelmäßig am Pichlingersee spazieren und traf hier einen Mann mit 2 Hunden, den er schon öfters sah und diesmal sprach er ihn an, die Beiden redeten lange und Stefan, der Mann mit den 2 Hunden erklärte Fritz seine Situation. Fritz kontaktierte mich und ich fuhr sofort raus zum Pichlingersee, um mich mit den beiden zu treffen. Seit etwa 4 Monaten ist Stefan obdachlos, kommt ursprünglich aus Steyr, hat dort bei BMW gearbeitet und alles binnen kürzester Zeit verloren, Arbeit, Wohnung, Geld, alles und lebt nun am Pichlingersee, ohne Schutz.
Vor etwa 1 Monat hat er ein Zelt aufgestellt, am Rande der Baumreihe, wo es niemanden stört, weil eh alles geschlossen hat und dort wirklich niemand hinkommt. Die Linz AG als „Verwalter“ ließ das Zelt abreißen und entsorgen. Stefan traut sich nicht mehr, ein neues aufzustellen. Ich habe bei der Linz AG angerufen und um ein Gespräch mit dem zuständigen Herrn, der zuständigen Dame gebeten, was heraus kam war eine „Drohung“, dass: „Ich selber hinaus fahren werde und es abreißen werde, wenn er wieder ein Zelt aufstellt, und eine Anzeige würde ebenfalls folgen“. Bumm, das hat gesessen! Weder menschliche noch moralische Argumente haben den Herrn überzeugt: „Ich selbst werde den Herrn dort delogieren, sollte er wieder ein Zelt aufstellen“, bekam ich als Antwort. Solche unmenschlichen Aussagen treiben mir die Tränen in die Augen.
Stefan jedenfalls sitzt jetzt ohne Überdach, ohne jeglichen Schutz auf einer Bank, mit seinen 2 Hunden und lässt sich abregnen, anschneien, fristet ein unwürdiges Dasein in diesen kalten, nassen Nächten. Stefan erzählt Fritz und mir aus seinem Leben, ich mache dann eine Liste was er am dringendsten braucht und breche auf, Richtung Lager, um all die Sachen zu holen. Seinen alten Schlafsack gab er seinen Hunden, und er hat nicht einmal eine Decke, merkte er an.
Natürlich bekommt er einen eigenen warmen Schlafsack, Futter für seine Hunde, und Lebensmittel, er hat schon einige Tage nichts gegessen und hat Hunger. Also ab durch die Mitte, ins Lager, alles holen und dann retour zu Stefan. Er freute sich tierisch über die mitgebrachten Lebensmittel, den Schlafsack, die Decken und Planen. Stefan erzählt weiter aus seinem Leben, er hätte Anspruch auf eine Leistung des AMS, aber leider hat er keine passende Melde-Adresse, um einen Antrag abzugeben. Ein Anruf beim B37 Streetworker Didi Mayr, ob ich mit Stefan morgen, Dienstag vorbeikommen dürfte, damit er seinen Antrag auf AMS-Geld bald abgeben kann? Didi sagt mir sofort für Dienstag von 10-12Uhr zu, zu helfen. Vielen Dank an dieser Stelle für die großartige Hilfe der Streetworker aus dem B37. Vergelt’s Gott.
Somit ist Stefan dann auch bald wieder krankenversichert, gottseidank. Stefan durchsucht die 2 Taschen, die ich ihm mitgebracht habe und freut sich wie ein kleines Kind über Cabanossi und Eckerlkäse und viele andere Sachen. Wunderschön anzusehen, wie seine Freude sein ganzes Gesicht ziert. Wir vereinbaren für den nächsten Tag, Dienstag 9.30 Uhr einen Termin, wo ich Stefan abhole, und nach Linz bringe zu den Streetworkern, was bisher ein großes Problem war, weil Stefan kein Geld hatte für den Fahrschein und er sich mit seinen Hunden nicht mit Öffies fahren traute, zu Fuß wäre es zu weit, es sind etwa 13 Kilometer in eine Richtung, Pichlingersee – Starhembergstrasse, und anschließend ins neue Rathaus nach Urfahr und dann wieder zurück in die Starhembergstrasse und zum Pichlingersee. Gesamt etwa 35km. Das schafft man zu Fuß nicht rechtzeitig, bevor die Ämter zusperren.
Am Dienstag bin ich pünktlich bei Stefan, wir packen seine Hunde hinten rein in eine Box, wir lassen hinten das Licht brennen, dass die beiden Hunde keine Angst bekommen. Wir beginnen bei den Streetworkern, die sehr, sehr hilfsbereit sind, anschließend fahren wir sofort rüber ins Rathaus, Parkplatz sieht anders aus, Stefan geht alleine anmelden. Anschließend wieder zurück, um das Anmeldeduplikat bei den Streetworkern abzugeben. Im Nu sind wir fertig, wir fahren noch in unser Lager, weil Stefan noch ein paar Kleinigkeiten benötigt. Er bleibt im Auto sitzen und wartet auf mich. Stefan bedankt sich gefühlte 50-mal für all die Sachen, die er von uns bekommt, ich erkläre ihm, dass unser Verein genau für solche Menschen gegründet wurde, wie er einer ist.
Jede/r soll wertschätzend behandelt werden und keine Not leiden müssen, in Österreich, was für uns immer ein Traum bleiben wird. Leider haben wir keine Notschlafstelle oder eine Möglichkeit, wo unsere Schützlinge im warmen übernachten könnten, wo sie vor den Wetterkapriolen geschützt wären, das können wir leider nicht anbieten. Stefan erzählt weiter, dass er so schnell wie möglich wieder arbeiten möchte, aber nur, wie? Wo soll ihn der Arbeitgeber anmelden? Es gibt mehrere Gründe, warum für Stefan eine Arbeitsstelle in nächster Zeit ein Wunschtraum bleiben wird. Wir werden Stefan weiter begleiten und ihm alles zukommen lassen, was er benötigt. Zurzeit bräuchte er dringend Mäntelchen für seine großen Hunde, die, die sie tragen sind komplett zerfetzt und schützen vor gar nichts mehr. Auch eine Powerbank bräuchte Stefan dringend, zum Aufladen seines Handys, damit er Hilfe holen kann sollte etwas sein. Ich verspreche Stefan zu schauen, dass ich irgendwo eine herbekomme, versprechen kann ich aber leider nichts. Ich habe alle Sachen zusammengesucht, die er noch braucht, wieder bedankt er sich und ist voll des Lobes: „Wahnsinn, was Ihr alles leistet, was ihr alles macht, DANKE, DANKE, DANKE!“ Seine Hände sind tiefrot, von der Kälte und Nässe, er ist 24/7 ohne Schutz im Freien und ich weiß nicht mehr, wo ich einen trockenen Unterstand für ihn bekomme. Er möchte in der Gegend bleiben wegen seiner Hunde, aber dort wo er jetzt ist, geht er zugrunde, das geht so nicht.
Ich werde weiterschauen und telefonieren, aber wie gesagt, ich kann auch nichts versprechen. Aber Stefan muss geholfen werden. Als ich ihn dann wieder am Pichlingersee absetzte, regnet es in Strömen und ich denke mir nur: „Shit, er muss nun raus ins nasse und kalte und ich bleibe im Trockenen, habe fast ein schlechtes Gewissen, weil ich keinen trockenen Platz für Stefan habe. Aber ich habe ihm nun ein 2-Mann Zelt gegeben, das er auf der anderen Seite aufstellen kann, wo die Linz AG nichts zu sagen hat, sondern ein Rand eines Ackers ist, der einem Bauern gehören dürfte. Stefan wird alle umliegenden Bauern abfragen, ob er sein kleines Zelt aufstellen darf, ich werde auch nicht locker lassen. Ich sehe Stefan dann bei meiner Linz-Tour am Samstagnacht und ich sagte ihm, dass es mir wichtig ist den direkten Kontakt zu ihm zu haben, nicht um ihn zu kontrollieren oder ähnliches, sondern um zu wissen, dass es ihm halbwegs „gut“ geht, dass er lebt.
Die Vorbereitungen für den Verteil-Donnerstag sind diesmal ziemlich mühsam, weil ich all die bestellten Lebensmittel wegen dem Feiertag am Donnerstag, schon am Mittwoch abholen muss und keine Chance habe, auf nachzukaufen. So kommt es, dass wir diesmal am Mittwoch einiges nicht bekommen, bei unserem wöchentlichen Einkauf. Wir bekamen nur die Hälfte der Schwarzbrotmenge, kein Toastbrot, und einiges wurde dann auch noch falsch abgezählt. Ärgerlich, ich muss mir etwas überlegen, weil ich mich darauf verlassen muss, dass ich die Bestellungen vollzählig bekomme, ich hatte keine andere Möglichkeit mehr, als unsere Ingrid anzurufen, dass sie für uns in Bad Schallerbach die fehlende Menge Brot und Gebäck einkauft, aber eigentlich möchte ich das nicht, weil unsere Bestellungen jede Woche die Gleichen sind, und mir dann am Mittwoch zu sagen: „Das alte Brot wäre noch da“. Für uns keine Option, Sorry. Da auch jede Woche vereinzelte Paprika oder Gurken dabei sind, die kaputt sind, werde ich nicht bewusst das alte Brot und Gebäck kaufen. Eigentlich war es mehr die Art, wie man es mir sagte als dass es diesmal nicht alles zu kaufen gab. Es kommt immer drauf an, wie man mit Menschen umgeht, und dieser rüde Ton gefiel mir gar nicht. Ich werde hier andere Lösungen suchen müssen, das geht so nicht. Das tut weh, weil ich bisher alles dort in dieser Filiale kaufte und es immer passte, ich wurde immer bestens behandelt, aber diesmal war der Filialleiter krank und der junge „Herr Stellvertreter“ ist halt von uns als Kundschaft nicht sehr angetan, sag ich jetzt einmal. Es wird andere Lösungen geben müssen. Mir tuts echt leid, weil sich die Filialleitung immer große Mühe gab.
Am Donnerstag früh ging es dann an die Vorbereitungen wie jede Woche, Leberkäse portionieren, Wurst aufteilen, Käse aufschneiden, Süßigkeiten in Sackerl abpacken zu 2 Stück, Teewasser kochen, Torten aufteilen und verpacken, viele Schritte, um alles fertigzustellen, viel Mühe und viel Zeit, ehrenamtliche Zeit unserer Helferleins. Um 14 Uhr kommt das Team für heute, bis dahin ist der Transporter gereinigt, alles ist verpackt, um es einzuladen. Kurz bevor wir losfahren, schickt uns Beate, die uns am alten Busterminal den Platz freihält, ein Bild von einem Schneesturm, Wahnsinn. Ok, wir stellen uns mental ein, dass es ein kalter unguter Verteil-Donnerstag werden könnte. Nebenbei lässt dann noch jemand aus dem Team einen Seitenhieb auf mich niederprasseln, weil ich manche Willkür auf den Ämtern erklärte und erzählte, um mich dann als „dünnhäutig“ hinzustellen. Tz!
Per WhatsApp schreibt mir Biggi gerade, dass Walter Witzany (ehem. ORF Moderator) uns heute besuchen wird, in Linz, um sich unseren Verteil-Donnerstag anzuschauen. Auf dem Weg nach Linz begegnet mir dann tatsächlich der Schneesturm, mit Anhänger heißt es, aufpassen! Aber ich habe genug Gewicht im Transporter und Anhänger, um auf der schneeglatten Fahrbahn nicht so leicht ins Rutschen zu kommen, ich habe Erfahrung mit solchen Situationen, bin aber höchst vorsichtig.
Als ich ankomme in Linz, steht noch ein Bus auf unserem Platz, der gleich Platz macht und wegfahren muss, um seinen Fahrplan einzuhalten. Im Nu ist alles ausgeladen und aufgebaut, schon steht Herr Witzany vor mir und schaut sich um, was wir hier genau machen, er holt sich noch einige Infos, um die gesamte Situation einschätzen zu können. Er ist angetan und sichtlich beeindruckt, von dem was wir hier wie machen. Heute warten wegen des Monatsbeginns nicht so viele Schützlinge auf uns, es sind etwa 15 Schützlinge da, es kommen aber stetig welche dazu.
Gottseidank bleibt es jetzt wieder länger hell, unsere Kopflampen brauchen wir trotzdem noch. Bei Halbzeit heute, kommt uns Markus vom Terminal besuchen und hat eine blonde Dame dabei. Sie stellt sich als „Jutta“ vor und erzählt, dass sie seit gut 1 Jahr, 1-mal monatlich mit ihrem alten Feuerwehrauto, das voll ist mit Kleidung und Lebensmittel, aus dem Innviertel anreist und einige Plätze abgeht, wo früher Obdachlose waren, und zurzeit findet sie außer am Terminal nicht mehr viele. Sie schaut sich um und ist ebenfalls beeindruckt, wie „professionell“ wir das alles machen. Jutta erzählt mir und ich lade sie ein, anschließend mit uns ins Lager zu fahren, um sich das Lager anzuschauen und die Tragweite abzutasten. Jutta willigt ein, mitzukommen, was mich riesig freut.
In Linz aber passiert heute nicht mehr viel, zum Schluss, wie immer, kommen noch ein paar Nachzügler, die genauso noch etwas bekommen, obwohl der halbe Transporter schon eingeräumt ist. Natürlich bekommen unsere Schützlinge so lange etwas ausgegeben, solange wir noch Zugriff auf die Sachen haben und nichts verstellt ist. Um 18 Uhr, Abfahrt nach Ansfelden, im Nu ist alles ausgeladen und wieder eingelagert, als wir uns verabschieden kommt Jutta ins Lager, das ich ihr dann auch zeige. 2 Stunden sitzen wir noch im Lager und reden über Obdachlosigkeit, Armut und Erfahrungen, sowie persönliche Erfahrungen. Ein tolles Gespräch nach einem langen Tag, der nun schon seit 6 Uhr früh dauert. Der Tag neigt sich seinem Ende entgegen, mir ist jetzt hier im beheizten Lager wieder warm, in Linz war es schon grenzwertig, es noch zu ertragen. Es war heute wieder ein Donnerstag voller Überraschungen, voller Emotionen, voller Gefühle und mit viel Dank und lächelnden Gesichtern!
Ich sage all unseren Spendern/innen Vergelt’s Gott und habt großen Dank, ihr habt uns wieder einen Tag ermöglicht, an dem wir wieder DIREKT den Menschen, unseren Schützlingen helfen durften.
In meinem Kopfhörer läuft „Day Is Done“ von John Prine, ein toller Song, der gerade genau zu meinen Gefühlen und Emotionen passt. Euch wünsche ich noch einen schönen Abend und alles liebe.
Schön, dass es Euch gibt! Danke, dass Ihr uns helft, zu helfen, ohne Euch wäre das alles unmöglich.