Linz bei Nacht!
Wie jede Woche beginnt auch der heutige Samstag mit dem Spendenannahmetag im Lager.
Wir vermuten eine hohe Besucheranzahl wegen des drohenden Lockdowns, der ab Montag gilt. Gottseidank sind wir als Team gut aufgestellt, genug Helferleins, um alles zu schaffen. Um 6.00 Uhr Abfahrt ins Lager, alles vorbereiten und manche Wagerl noch so stellen, um gut kommissionieren zu können. Spendenannahme dürfen wir gottseidank am Gang unseres alten Lagers machen, wo wir gutes Licht und vor allem Platz im Warmen haben, um alle Spenden zu sortieren. Der Spendenannahmetag läuft gut, viele Spender kommen und bringen noch mehr Kleidung mit, die Hilferufe unseres Teams, das die Kleidung sortiert, wird immer lauter. Über die Hälfte der gespendeten Kleidung müssen wir auch heute wieder entsorgen, weil es unzumutbar wäre, diese Kleidung in diesem Zustand weiterzugeben, was wir bestimmt nicht machen. Es tut richtig weh, wenn man sieht, was man unseren Schützlingen zumuten möchte. Schlimm! ABER, es kommen auch viele, viele tolle Spenden, Kleidung, Lebensmittel, Hygiene und manche Spender/innen bleiben gleich, um uns bei der Aufarbeitung zu helfen. Toll!Viele tolle Menschen besuchen uns heute, Lisa mit Sohn, Elisa mit Freundin Katrin, Petra, Peter, Ines, Karin – Kira & Yanick, Sibylle, Julian & Beatrice, Gaby & Kathi, Silvia, Helmut und viele andere. DANKE für Eure großartige Unterstützung. Bei den tollen Gesprächen mit unseren Spendern/innen, kommt immer wieder vieles hoch, wird auch das eine oder andere Tränchen vergossen, was die Ohnmacht und Hilflosigkeit in manchen Bereichen im 8. Jahr unserer Obdachlosenarbeit ausdrücken soll. Bis um 13.30 Uhr arbeitet unser Team an der Aufarbeitung der heutigen Spenden, viel zu tun.
Bis ich vom Lager endgültig heimkomme, ist es 15.30 Uhr, dieses noch und jenes muss noch erledigt werden, dann schnell heim, eine Kleinigkeit essen, um 18 Uhr geht’s wieder los auf die Linz Tour, die heute bis in den frühen Morgen gehen soll. Kathie, meine Beifahrerin für die heutige Linz-Tour, hole ich um kurz nach 18 Uhr am Bahnhof ab, wo wir gleich einen alten Bekannten sehen, Kane! Er ist auch noch jung und auch er wird dieses Leben nicht schaffen, leider. Als er mich sieht beschimpft er mich und will streiten, dazu habe ich aber keine Lust und gehe über die Straße zum Bahnhofs Eingang, dort warte ich. Kathie kommt und wir schauen einige Augenblicke Kane noch zu, es ist ein völlig absurdes Verhalten, das er grade an den Tag legt. Hilflos und wütend. Kathie hat heute selbst gemacht Kekse und Kuchen mit und im Auto haben wir eine 5l Thermoskanne heißen Tee.
Kathie und ich fahren zum Schillerpark, auch heute wieder niemand hier, und weiter zum Volksgarten. Dort treffen wir Udo und Matthias, die mitkommen zum Bus, auch Finley kommt zum Bus, möchte aber nichts haben. Udo erzählt im Gespräch, dass es ihm nicht gut geht, wegen seiner Tochter, und dass zurzeit sein Leben sehr turbulent ist, zu turbulent nach seinem Geschmack. Wir packen ein paar Lebensmittel zusammen für unsere Schützlinge, und fahren dann weiter zum Bahnhof. Dort angekommen stehen im Nu 5 Menschen beim Bus, teilweise neue, noch nie gesehene und bitten um Lebensmittel und Nächtigungsjetons. Elvisa, Gaby, Andy, Peter, Meikel u.a., alle bekommen was sie brauchen an Lebensmittel und Hygieneartikel.
Peter bittet mich um € 20,-, worauf ich nicht eingehe, weil ich seine Aggressivität in den letzten Wochen nicht goutiere und künftig gar kein Bargeld mehr hergebe. Peter ist, da er seine Sucht befriedigen muss und keinen Alkohol mehr hat, ziemlich laut und hochaggressiv, deshalb gehe ich auf seine Worte auch nicht mehr ein und widme mich Meikel, dem es scheinbar nicht gut geht. Heißer Tee wird gerne angenommen und dazu Kathies Kekse und Kuchen. Elvisa ist stark verändert seit ihrem Aufenthalt in der Kepler Klinik, sie ist ängstlich, viel ruhiger als früher, aber dafür aufbrausender, wenn etwas geschieht, wovor sie Angst hat. Elvisa hat sich stark verändert. Der junge Serbe, vor dem Elvisa heute keine Angst mehr hat, bereitete ihr letzte Woche noch große Probleme, weil sie mit seiner Art, ständig alles auf den Boden zu werfen, nicht umgehen konnte. Meikel erzählt, dass ihm Isomatten und ein neuer Schlafsack gestohlen wurde, Andy erzählt ebenfalls vom Verlust seines Rucksackes.
Tja, also weiter zu Gaby, sie bräuchte Thermo-Leggins, die ich heute leider nicht mit habe, sie kommt am Donnerstag zum Bus verspricht sie. Lebensmittel, neue Unterwäsche und neue Socken händigen wir aus. Ebenfalls an Andy gingen Lebensmittel und eine Decke. Ein alter Bekannter, der schon einige Wochen nicht mehr zum Bus kommt, weil wir dort die Einkommensnachweise kontrollieren, bittet um Nächtigungsjetons für die Notschlafstelle, ich gebe ihm 1 Jeton für heute Nacht. Wir wissen ja mittlerweile um unsere Leute beim Bus Bescheid, wenn jemand nicht mehr kommt und noch keinen Einkommensnachweis brachte, dann hat er/sie vermutlich ein zu hohes Einkommen, auch das gibt es, vereinzelt. Und wenn jemand genug Geld zur Verfügung hat, braucht er unsere Spenden nicht. Wir haben unseren Spendern versprochen, dass die Spenden dort ankommen, wo sie dringend gebraucht werden, und das ziehen wir durch. Kathie und ich gehen zum Abschluss noch eine Terminalrunde, und füllen Gabys und Andys Becher nochmal mit Tee bevor wir losfahren. Bahnhofspark und Tiefgarage. Im Park ist niemand und in der Tiefgarage finden wir Marihuana, Kathie nimmt es mit und wir geben es am Bahnhof bei der Polizei ab, damit hier nichts passieren kann.
Der nächste Hotspot ist Florian, mittlerweile ist es 21.30 Uhr, er schläft schon und wir wecken ihn. Es ist das 1. Mal, dass Florian Lebensmittel, heißen Tee und Kekse/Kuchen von uns annimmt, das freut mich riesig. Florian nahm bisher nur über den „Umweg“ Franziska, Lebensmittel von uns an. Großartig, dass er endlich was annimmt. Socken, Unterwäsche, Lebensmittel uvam., und ganz wichtig, Handschuhe, er sagt er kühlt so schnell aus an den Fingern und dann friert ihn am ganzen Körper, also braucht Florian ordentliche Handschuhe, die wir ihm aushändigen. Weiter auf unserer Tour geht es zu Franziska und Gerald.
Wir dürfen, nachdem wir gefragt haben, näher kommen, Emma, Franziskas Hund begrüßt uns mit großer Freude und wild wedelnd. Franziska muss schnell mit Emma Gassi gehen und wir haben Zeit, uns mit Gerald alleine zu unterhalten. Er würde gerne wieder arbeiten gehen, aber es gibt halt massive Probleme, er schafft es auf den Ämtern nicht und bei den Behörden schon gar nicht. Das lässt ihn verzweifeln und alles wieder abbrechen. Er möchte auch bald wieder weg von der Straße, Gerald ist heute so offen wie noch nie, er hat auch noch nie so viel mit mir geredet und erzählt. Ich biete ihm an, behilflich zu sein, wenn ER es möchte, bei der Arbeitssuche und bei der Wohnungssuche, egal wann das sein wird, ob nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr, egal, wenn ER will, werden wir helfen, damit Gerald wieder trotz der ganzen Probleme, die er hat, eine neue Chance bekommt.
Als Franziska zurückkommt reden wir noch kurz über die Situation im Allgemeinen und gehen dann zum Bus. Franziska packt eine große Tasche mit Lebensmittel und Getränke zusammen, für sie und Gerald wie sie betont. Gerald hätte gerne eine Zigarette, ich als Nichtraucher habe leider die Zigaretten im Lager vergessen, die wir verteilen können, Kathie gibt den Beiden einige Zigaretten, worüber sie sich sehr freuen. Wie weit Gerald seine Situation, seine 4-jährige Obdachlosigkeit beurteilen und einordnen kann, wird sich in den nächsten Wochen herausstellen. Wir bleiben dran.
Von den Beiden fahren wir noch zum See raus und anschließend in die Industriezeile, an beiden Plätzen war niemand anzutreffen. Sehr spät waren wir dann im Lager, um alles auszuladen und wieder einzulagern. Kathie war mir heute eine große Hilfe, und um 1.30 Uhr war dann auch für mich der Tag vorbei, ein langer Tag, ein anstrengender Tag.
Vielen, lieben Dank allen Spendern/innen, dass wir auch diese Linz Tour fahren durften. Vergelt’s Gott! Euch einen erholsamen Sonntag und alles liebe. 😊