Armut, Mietspiegel und viele vergessene Menschen!
Woche für Woche sehen wir die aktuelle Entwicklung vieler Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten, die in der Vergangenheit teilweise schon in prekären Situationen lebten. Sei es als „Working Poor“. Dass viele Menschen von einer Vollzeitbeschäftigung nicht mehr leben können und sich Monat für Monat dahinraffen müssen und keine Chance haben, sich ein kleines finanzielles Polster zuzulegen.
Oder sei es das über 50-Jährige am Arbeitsmarkt als nicht mehr vermittelbar gelten und so übergangslos vom Arbeitslosengeld in die Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung rutschen und so der persönliche Niedergang noch drastischer zu sehen ist. Dass die aktuelle Situation für arme, obdach- bzw. wohnungslose Menschen eine gesellschaftspolitische Zeitbombe ist, dürfte sich noch nicht herumgesprochen haben. In wenigen Wochen werden all die Mietnachforderungen der letzten Monate, die zum Teil gestundet wurden, eingefordert. Eine Katastrophe für die Menschen, die durch Corona den Job verloren, oder aktuell in Kurzarbeit fristen und keine Chance mehr am 1. Arbeitsmarkt sehen bzw. bekommen. Aktuell sind in Österreich nach einer aktuellen Statistik, 1,55 Mio. Menschen armutsgefährdet. Die Abwärts-Spirale, kommt sie erst in Gang, lässt sie sich nicht so einfach wieder stoppen.Haben die Menschen noch Arbeit, merken sie seit Jahren jeden Monat, dass die Löhne stagnieren und gleichzeitig die Lebenshaltungskosten exorbitant steigen, ja fast explodieren. Die Mietpreise, der Mietspiegel 05/2021 von der wohnungsboerse.net veranschaulicht, in welche Richtung es seit Jahren mit den Mietpreisen geht. Der aktuelle Mietspiegel (in den Fotos nachzulesen) lässt nichts Gutes für die nächste Zeit erahnen. Zurzeit kostet eine 30m² Wohnung in Linz, OHNE Betriebskosten wohlgemerkt, €316,20, eine 60m² gar € 579,-, dazu kommen noch in der Regel um die €150,- bis €200,- Betriebskosten wie Heizung, Warm- und Kaltwasser, Müllabfuhr uva., und dann noch der Strom, der hier auch noch nicht zugefügt ist. Bei einem Lohnniveau wie dem derzeitigen, ist es reiner Hohn dann auch noch zu sagen, Zitat: „In ihrem Lohn sind monatlich 20 Überstunden inkludiert, die Sie kostenlos abzuarbeiten haben“. Das ist leider vielfach Teil des Dienstvertrages oder Voraussetzung, dass man die Arbeit überhaupt bekommt. In den letzten Jahren haben sich solche Auswüchse etabliert und werden auch schonungslos eingefordert. Wie aber könnte sich eine Verkäuferin mit ca. € 1100,- Netto-Entlohnung, überhaupt eine 60m² Wohnung leisten? Gar nicht! Nicht mehr leistbarer Wohnraum wird in den kommenden Jahren noch richtig viel Leid über die Menschen bringen, nicht nur in Linz. Hier wird künftig der soziale Frieden auf die schwerste Probe gestellt, und wenn der kippt, dann gute Nacht. Viele werden jetzt sagen „So ein Pessimist“, NEIN, ich bin kein Pessimist, aber wir als Obdachlosenhilfsaktion sehen Woche für Woche, wie die Menschen immer mehr an die Wand gedrückt werden und nicht mehr weiter wissen.
Wenn dann auch noch soziale Ausgrenzung stattfindet, geht es an die Gesundheit jedes Einzelnen, der betroffen ist. Wenn sich die Menschen schämen müssen, weil sie nichts mehr zu essen haben, nichts mehr zum Heizen haben, dann werden Menschen krank, schwer krank. Die verdeckte Armut, die fast nie sichtbar wird, weil die Menschen es gewohnt sind, zu leiden und lieber den Mund halten bevor sie sichtbar zu einer Tafel gehen und dort um Essen bitten. Hier sind überwiegend ältere Menschen betroffen, die sich schämen, um Hilfe bitten zu müssen. Ich habe schon einige Versuche hinter mir, diese Menschen abzuholen, und sie nicht sichtbar mit Lebensmittel und allem Notwendigen zu versorgen, einiges gelang mir, vieles ließ sich leider nicht umsetzen. Unsere Intention als Verein war es immer, armen Menschen genauso zu helfen wie obdach- und wohnungslosen Menschen. Wenn jemand zwar noch eine kleine Wohnung hat, dafür aber das ganze Geld draufgeht und deshalb keinen Strom, kein Wasser mehr hat, dann sind das natürlich auch Menschen, denen wir helfen wollen, helfen werden, solange wir helfen können. Meine früheren Versuche, über einen Pfarrer Kontakt zu den armen Menschen zu bekommen, um sie mit Lebensmittel zu versorgen, scheiterte leider schon im Ansatz, weil er, Zitat: „Keine Zeit hat für solche Angelegenheiten“. WER, wenn nicht ein Pfarrer? Uns offenbaren sich leider nicht so viele arme Menschen, erst wenn das Leid zu groß ist, dann, ja, dann, aber es müsste niemand hungern in unserem Land. Ich werde es immer wieder versuchen, den Menschen die Angst und ihre Scham zu nehmen und einfach zu helfen, weil helfen ein Gebot unserer Zeit ist.
Viele Menschen aus dem sogenannten Mittelstand bekommen es zunehmend ebenfalls zu spüren, dass sich die Arbeitswelt, die Gesellschaft, alles um uns herum, stark verändert. Die Angst konnte und kann ja nur groß werden, weil man die Menschen in ihrer Unsicherheit liegen lässt, sie nicht abholt und sie nicht aufklärt, über die Chancen, die noch bleiben, über Möglichkeiten, die sich einem noch bieten. Es fühlt sich niemand zuständig, diese Menschen, die Angst vor der Zukunft haben, Angst vor Armut, Angst vor Arbeits- oder gar Obdachlosigkeit, abzuholen und ihnen Mut zuzusprechen. Man lässt diese Menschen im Regen stehen, setzt sie dem Schicksal aus und widmet sich „wichtigeren“ Problemen. Was Armut mit Menschen macht, kann man, so man es will, jeden Tag sehen, auch hier bei uns, Mitten in Linz und Oberösterreich. Und wenn jetzt wieder polemisch behauptet wird, dass viele gar keine Hilfe wollen, so schreibe ich gerade denen ins Stammbuch: „Erzählt keinen solchen Bullshit, in all den 7 Jahren, wo wir nun diese Aktion machen, habe ich noch KEINEN Einzigen sagen gehört: „Ich bin gerne arm, oder ich bin gerne auf der Straße und lebe gerne mein Leben als Obdachloser“. NIEMAND sagte so etwas je zu uns. Jene Menschen, die nun glauben sie müssen sich noch einmal echauffieren über meinen Satz, denen schreib ich auch ins Stammbuch: „Hört endlich auf, arme und obdachlose Menschen zu stigmatisieren oder gar zu diffamieren, hört auf zu sagen: „Das Gsindl soll arbeiten gehen oder soll zuerst etwas leisten“. Wir können gemeinsam so vieles erreichen, wenn wir nie mehr von einem „Gsindl, Sandler, arbeitsscheuer Säufer“ reden, wenn wir von und mit diesen MENSCHEN reden. Liebe Leute, BITTE lasst uns wertschätzend mit armen, obdach- oder wohnungslosen Menschen umgehen, das wäre die halbe Miete, dann hätten wir schon vieles erreicht.
Warum schreibe ich Euch das? Weil ich gestern im Kühllager wieder eine Begegnung hatte, ähnlich einer vor wenigen Wochen, wo mich auch jemand „aufklärte“, dass alle Obdachlosen Säufer und arbeitsscheue Menschen sind. Der gestern ging noch viel weiter, weil sein Onkel auch obdachlos ist, meinte er, dieses Beispiel auf alle Obdachlosen ausdehnen zu müssen, seine persönliche Fehde interessierte mich aber nicht und so ließ ich ihn schimpfen und hadern. Wenn jemand, selbst zu Gast in einer Firma, so unerträglich penetrant und perfide über den eigenen Onkel spricht, und kein offenes Ohr hat für ein paar Tatsachen, die ich ihm erklären wollte, hat auch das Gespräch keinen Sinn und aus diesem Grund schrie er mir dann noch ein paar unschöne Sätze nach als ich einfach gefahren bin. Wenn schon jemand nichts mit Armut anfangen kann, soll er/sie doch wenigstens ruhig sein und sich umdrehen, bevor man sich von Schimpftirade zu Schimpftirade hantelt. Wenn ich, egal wo, höre dass jemand schlecht über arme oder obdachlose Menschen redet, ist das für mich IMMER ein Grund, mich einzumischen IMMER! VERSPROCHEN! Heute am Donnerstag früh, angekündigt war ein Regentag und wir hatten aufgrund vieler Abwesenheiten, ein kleines Personalproblem, das sich aber so schnell wie es kam, auch wieder in Luft auflöste. Unser Team ist einfach nur toll, ALLE!
Ich habe in den letzten Nächten die ersten unserer NFC-Karten, die wir heute an unsere Schützlinge zur Kontrolle ausgeben, programmiert. Von Markus H. bekamen wir ja eine eigene Software programmiert, so dass wir alle Ausgaben erfassen können und möglichem Spenden-Missbrauch sofort entgegenwirken können. Es ist jetzt sehr viel Arbeit, bis alle Karten programmiert sind, alle Daten erfasst sind, aber uns ist wichtig, dass auch wirklich nur die Bedürftigen unsere/Eure Spenden bekommen, und nicht, wie vor ein paar Wochen, jene mit einem teuren Auto. Wir setzen das jetzt rigoros um, und dazu war ich gestern nachmittags noch bei unserer Barbara, die einfach eine riesengroße Stütze diesbezüglich ist. Nach der Einladung zum Mittagessen, war es dann noch wichtig, die Abläufe für heute zu bereden. In Gedanken spielte ich heute früh das Szenario noch oft durch und versuchte in meinem Kopf die Situation noch zu optimieren, was mir nicht ganz gelang. Wir werden das Beste draus machen, heute Nachmittag dachte ich mir. Vormittag, wie üblich, Haid Gebäck abholen und alle anderen Vorbereitungen treffen. Alles ging großartig und nur die Uhr war etwas zu schnell heute, wir fuhren erst um 15.20 Uhr von Ansfelden los Richtung Linz, begleitet von tief hängenden Regenwolken, wir haben alle 3 Pavillons eingepackt, um nicht nass zu werden. 4
Meine Vorahnung, dass sich nach den 105 Besuchern von letzter Woche, heute noch zusätzlich einige dazugesellen könnten, sollte sich dann schlussendlich bewahrheiten. 112 Menschen sollen heute am Ende des Tages unseren Bus besucht haben, um sich Lebensmittel zu holen. 112 Menschen zu viel für ein Land wie unseres. Ich habe es eingangs beschrieben, wie sich jede Woche die Corona Zahlen bei unserem Bus etablieren. Wenn man bedenkt, dass ein halbwegs normaler Verteil-Donnerstag um die €2000,- an Lebensmittel, Hygieneartikel, Schlafsäcke, Isomatten usw. kostet, dann könnt‘ Ihr ungefähr erahnen was uns diese Verteil-Donnerstage jenseits der 100er Marke kostet. Wir geben gerne, dafür habe ich den Verein gegründet, solange wir können, werden wir geben, aber es geht teilweise ziemlich rasant dahin mit den Lebensmitteln, wenn man auch all die Spendenlieferungen in die verschiedenen Einrichtungen, die wir auch machen, ins Auge fasst und sieht, wo wir was und wieviel hinbringen. 112 Menschen, die zu Beginn laut, aggressiv und respektlos waren, bis ich durchgegriffen habe, weil zwei sich in die Haare bekamen. Das war der Punkt wo alle anderen sich auch einkriegten. Die 2 Streithähne wurden getrennt in die Reihe gestellt und gut war es.
Zwischendurch kamen 2 Studenten von der JKU, und ihr Fragebogen aus den letzten Tagen, ließ mich schon neugierig diese Menschen erwarten. Sie mischten sich zuerst unter unsere Schützlinge und holten sich so, verschiedene Meinungen und Aussagen unserer Schützlinge. Zu guter Letzt haben sie mich noch gefragt, was ich mir wünschen würde, tja, eine Notschlafstelle wo ALLE Menschen Platz haben, das würde ich mir wünschen, aber das wird ein Wunschtraum bleiben. Dass niemand mehr auf der Straße schlafen muss, das wäre für mich das größte Glück, der schönste Moment. Zwischendurch besuchte uns auch Sr. Lydia, die erfolgreich ihre Ausbildung absolvierte und nun wieder etwas Zeit hat. Ich habe mich echt gefreut, sie zu sehen. Kurze Zeit später kam eine Frau auf mich zu: „Ich möchte auch was einkaufen bei Euch“. Hier kann man leider nichts kaufen, meine Antwort. „Aber wie kann man diese tolle Aktion unterstützen“, frug sie? Mit einer Spende, worauf sie mir € 20,- in die Hand drückte und versprach, uns wieder zu besuchen. Frau Wänke, so ihr Name, den ich veröffentlichen darf, war sichtlich erschüttert da sie kopfschüttelnd, sich umdrehend auf die lange Schlange, verabschiedete. Was wir jede Woche an positiven Rückmeldungen bekommen, ist schon großartig, tut gut und wohl, eine Bestätigung für all die Mühe, die wir jeden Tag auf uns nehmen, um zu helfen.
Wir haben auch heute wieder sehr oft zu hören bekommen, was unsere Schützlinge über uns und unsere Aktion so denken, und wie sie sich bei uns bedankten, für alles was sie bekommen, 3-Mal, 4-Mal, manchmal mit einer kleinen Träne, es tut schon gut, dass sich unsere Schützlinge über all Eure Spenden so sehr freuen. 112 Menschen mit Lebensmittel zu versorgen, ist ja auch eine kleine logistische Aufgabe, der ich mich jede Woche stelle, gemeinsam mit unserem tollen Team. Um 18.35 Uhr statt um 18 Uhr, versorgten wir den letzten Schützling mit Lebensmitteln, da kam die Sonne hervor, zuvor regnete es zwischendurch, unser Herr hatte jetzt einsehen, dass wir nicht auch noch im Regen zusammenräumen wollen. Alle halfen zusammenzupacken, es ging ruck zuck, war alles verstaut, ab nach Ansfelden, ins Lager. Alles wieder einlagern, zusammenräumen, auswaschen und putzen, und dann keine langen Reden mehr, wir alle sind geschafft, sind fertig von der Arbeit. Ich sitze seit 20.15 Uhr hier bei diesem Text, seit gut 3 ½ Stunden, neben mir spielt mir Alexa Musik von John Prine, den ich so liebe. Ich bin geneigt zu sagen, DANKE liebes Team, für Eure klasse Arbeit heute wieder, für Eure Loyalität und Eure Anstrengungen. Vergelt’s Gott an all unsere Spender/innen und Gönner/innen, dass Ihr uns auch diese Woche wieder unseren Verteil-Donnerstag ermöglicht habt. DANKE SCHÖN für alles was Ihr leistet, was Ihr spendet und somit direkt helft! Schön, dass es EUCH gibt, ich verneige mich zutiefst vor Euch! 😊 <3
Link zum Mietspiegel: https://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Linz/16691