„DüK“
„DüK“
Linz-Tour vom 27.1.2024:
Nachdem wir am Vormittag Spendenannahme hatten, wo wir auch immer wieder die Lebensmittelboxen vom Verteil-Donnerstag befüllen, war der Tag schon recht früh mit Stress ausgefüllt. Meine Tagesverfassung war auch nicht die Beste, da ich am Freitagabend von 18 Uhr bis 22.30 Uhr im Lager die Lebensmittelboxen gewaschen habe. Mein Rücken zeigte mir heute, dass er es ernst meint und mir nicht mehr verzeiht. Entsprechend waren die Rückenschmerzen und entsprechend waren die Tätigkeiten, die ich gerade noch machen konnte. Aber Christian und unser Team hat mich vorbildlich entlastet und mir geholfen, kleine Pausen einzubauen.
Max, der heute auch mit dabei ist, ist wie immer eine große Stütze, gemeinsam mit Christian schupfen die Beiden alle schweren Aufgaben. Sandra kümmert sich um die letzten 30 Lebensmittelboxen, die wir noch sauber waschen müssen, um sie dann noch neu zu beschriften. Das Wochenprogramm hat bei mir tiefe Wunden gestreut, ich bin einfach festgefahren und zurzeit nicht belastbar. Die Dichte an Projekten und Aufgaben setzen mir enorm zu, aber ich gebe mein Bestes, versprochen!
Zuerst wird der Donnerstag noch fertig befüllt, um danach die Boxen der Linz-Tour auch noch fertig zu befüllen. Wir haben neue Boxen, und die müssen umgefüllt und neu beschriftet werden, das Sortiment muss noch durchgeschaut werden. Zu Mittag beginnen wir den Bus mit den Boxen der Linz-Tour zu beladen, Christian und Max helfen mir hier sehr und entlasten mich.
Als der Bus fertig beladen ist macht Max Fotos, damit künftig jeder sieht, wie der Bus beladen werden muss, für die Linz-Tour. Heute fahren die beiden Christians mit auf die Tour, und ich freue mich schon sehr. Treffpunkt ist 18 Uhr bei der Metro.
Christian L. ist heute zum 1. Mal mit auf der Linz-Tour, Christian S. war schon einige Male dabei und kennt inzwischen die Route und den Ablauf.
Heute beginnen wir wie immer im Schillerpark und Volksgarten, wo wir im Dunkeln Sigi und ihren Freund treffen. Sie sind auf den Weg ins Mühlviertel und erzählen uns, wie schwer es tatsächlich ist, wieder Fuß zu fassen und wieder ein Bein ins Leben zu bekommen. Das sind junge Menschen, wie schwer es erst für ältere Menschen auf der Straße ist, adäquate Hilfe zu bekommen, kann sich jede/r selbst zusammenreimen. Ältere Obdachlose schaffen es meist nicht mehr, überhaupt noch Sinn in ihr Leben zu pusten und die Hoffnung hochzuhalten. Fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Vom Volksgarten weiter zum Bahnhof, beim Postparkplatz parken wir uns ein und sehen wie ein Mann, der seinen Elektro-SUV gerade neben uns einparkte, auf uns zukommt. Er hätte die Absicht im Bahnhof frisches Gebäck zu kaufen, eigentlich wollte er es selbst im Terminal verteilen, aber er fragte, ob er uns das Gebäck anvertrauen dürfe, weil die „Profis“ das besser und gerechter können. Ich erzähl ihm von unserem Rundgang, der etwa 10 Minuten dauern wird. „Ich hänge das Sackerl auf den Spiegel, und vielen Dank, dass sie den Ärmsten helfen, danke für ihren Dienst an diesen Menschen“.
Wir brechen auf in den Bahnhofspark Richtung Bahnhofshalle, wo wir kurz reinschauen, und ein paar Obdachlose sichten. Gerti, die unten im Keller der Bahnhofshalle wartet, hört zuerst meine Rufe nicht, bis sie einen Blick in unsere Richtung wagte und mich sah. Sie kommt per Rolltreppe herauf, gefolgt von der ÖBB-Security die uns von Weitem grüßen. Gerti erzählt uns von anderen Obdachlosen, die sich den Ärger der Polizei hier im Bahnhof zugezogen haben. Und Gerti kennt ja Gott und die Welt, ein kurzes Gespräch dann gehen wir weiter unsere Runde.
In die Tiefgarage neben dem PVA-Tower, ziemlich schmutzig und unten liegt immer noch die Kleidung am Boden herum, die jemand vor einiger Zeit hier absichtlich verstreute. Neben viel angeschwärzten Alufolien, die auf Drogenkonsum hinweisen, liegen hier viele Essensreste und leere Getränkedosen herum. Wir kehren um und gehen zum Bus zurück. Wo der Herr mit dem Gebäck noch einen Brief bei der Post einwirft, bevor er uns seine Aufmerksamkeit schenkt und uns die ganze Ladung an Gebäck übergibt, die er kaufte. Er bedankt sich nochmal für unsere Arbeit und fährt dann in die Nacht hinein.
Wir fahren auch weiter, ins Terminal. Gaby wartet schon auf uns, Elmar ist auch noch am Terminal, Lenny und Christoph kommen mit zum Bus, heißen Tee mag jeder, Christoph braucht auch noch einen Schlafsack und eine Isomatte, Lenny Unterwäsche und Socken, und Elmar nimmt nichts, außer die paar Zigaretten, die wir an alle austeilen. Ein kurzes Gespräch noch und wir widmen uns Gaby, die Thermo-Leggins und unbedingt warme Schuhe braucht. Ihre Schuhe drücken sehr und wir haben die richtige Größe dabei. Gaby zieht gleich die neuen Schuhe an und lächelt zufrieden übers ganze Gesicht. Noch ein Sackerl voller Lebensmittel befüllt und Gaby gegeben, und wir gehen unsere Runde im Terminal, hinunter in die Bahnhofstiefgarage.
Am anderen Gate am Terminal schläft Elke auf ihren Koffern, wir wecken Elke nicht und lassen sie weiterschlafen. Über die Rolltreppe hinunter in die Tiefgarage, wo etwa 20 minderjährige ausländische Kinder/Jugendliche mit Alkohol im Kreis stehen und lachen. Wir gehen vorbei an den Jugendlichen, und wollen in der Tiefgarage sehen ob dort jemand schläft oder campiert. Fehlanzeige, aber die Feuerwehr-Schlauchkästen, die immer wieder als Drogenversteck dienen, sind teilweise geöffnet, aber leer. Also nicht Neues in der Tiefgarage, zurück zum Bus ins Terminal.
Dort angekommen füllen wir die Thermoskanne von Gaby nochmal auf und verabschieden uns dann in die Nacht hinaus. Es geht weiter nach Urfahr, zu Peter, der ein DüK bekam, ein „Dach übern Kopf“. Das Kolpinghaus stellt hier gemeinsam mit dem B37 diese kleinen Tiny-Houses zur Verfügung, wo obdachlose Menschen einziehen können. Ohne Heizung und ohne Strom sind sie alle trotzdem glücklich, ein Dach über‘n Kopf zu haben, dass zumindest ein wenig Schutz und Privatsphäre bietet. Peter ist glücklich, in so einem „DüK“ „wohnen“ zu dürfen. Peter macht uns die Tür auf und begrüßt uns herzlich. Er zeigt uns sein „DüK“ und ist stolz drauf. Peter kommt mit zum Bus und holt sich heißen Tee, frische Unterwäsche und Socken, Getränke packt er auch noch ein bevor wir wieder losrauschen.
Wieder zurück nach Linz, zu Tony, den wir durch unser Klopfen aufwecken und der uns mit einem Lächeln die Tür öffnet. In langer Unterhose und mit Haube auf dem Kopf öffnet er uns seine Tür und Tony freut sich jedes Mal wieder, wenn wir ihn in seinem „DüK“ besuchen. Tony ist ein besonderer Mensch, dem ich meinen ganzen Respekt zolle, weil er ein Leben lebt, das gewiss nicht leicht ist und dass er in seinem Alter noch bravourös meistert. Wir haben heißen Tee mitgebracht und Tony freut sich darüber. Sein Nachbar, Roman, erzählt uns Tony ist sehr aggressiv und laut, kümmert sich nicht um seine Abfälle, und jedes Gespräch von Tony mit Roman münden diese in Drohungen. Genauso kenne auch ich Roman, der seit etwa 1 ½ Jahren nicht mehr zum Bus kommen darf, weil er immer wieder ausfällig wurde und uns keinen Einkommensnachweis brachte.
Tony geht wieder schlafen und verabschiedet sich lächelnd von uns und wir brechen auf, unter eine Autobahnbrücke, zu Michel. Michel, der ehemalige ORF-Redakteur geht uns seit einigen Wochen ab, sein Schlafplatz ist verlassen, seine Matratze weg, gegenüber aber, wo früher Jürgen schlief unter dieser Autobahnbrücke, scheint jemand neuer zu schlafen, da das Gästebett sichtlich benutzt wird, wir aber auch heute niemanden antreffen. Die großen Rußspuren erzählen eine Geschichte, die so typisch für Michel ist, deshalb wurde er schon öfters von Plätzen verwiesen, ich fürchte auch diesmal. Also zurück zum Bus, und weiter geht’s.
Einmal rund um den Dom und dann Richtung Donaulände, Nähe Brucknerhaus. Einmal rundherum und hinten finden wir einen neuen Obdachlosen, der einen verletzten Fuß hat und nur schwer in die Schuhe reinkommt. Wir bitten ihn mitzukommen, zum Bus, dann bekommt er heißen Tee und zu essen. Er humpelt hinter uns nach und erzählt er uns, dass sein „Freund“, der vorher, noch vor 14 Tagen an diesem Platz nächtigte, inzwischen nach „Helvetia“ weitergezogen ist. Beim Bus bekommt er heißen Tee und Brötchen, Sandwiches und Obst, er redet nicht viel, ich kenne ihn aber von früher, er ist schon ein paar Jahre hier in Linz. Vor etwa 2 Jahren holte ich für ihn die Rettung, weil er damals eine Blutvergiftung hatte, die schon bis zur Achselhöhle ging. Dann besprachen Polizei und Rettung, ob er in ein Krankenhaus müsse, ohne bis dahin überhaupt die Wunde und die Auswirkung gesehen zu haben. Das war schon eine seltsame Situation, damals. Zum Schluss füllen wir seinen Becher nochmal an und brechen wieder auf, wieder nach Urfahr, unter die Nibelungenbrücke.
Dort angekommen ist heute das Schlaflager verschwunden, das wir vor 14 Tagen fanden. Also wieder weiter, zur Tankstelle, kurze Pause bei Kaffee und Käseleberkäsesemmerl. Mittlerweile ist es 22.15 Uhr geworden und wir haben uns eine kurze Pause verdient. Christian L. ist schockiert, dass es solche „Zustände“ in Linz gibt. Er hätte sich das nicht gedacht und vor allem rütteln ihn diese Schicksale wach und machen ihn sichtlich wieder zufriedener, so erzählt uns Christian L.. Christian S., der einige Male schon dabei war bei der Linz-Tour sieht auch nach eigener Aussage, seither Linz anders. Jedes Mal, wenn er über diese Brücke fährt, kommt es ihm in den Sinn, dass darunter Obdachlose schlafen müssen und es macht auch Christian S. demütiger und nachdenklicher.
Nach der Pause, es ist jetzt 22.45 Uhr, brechen wir auf zu Franziska und Gerald, die gleich um die Ecke unter der Autobahnbrücke schlafen. Dort angekommen sehen wir Franziskas Gästebett verwaist, warum wir gleich weiter zu Gerald gehen. Wir haben Zigaretten und heißen Tee für ihn dabei, er erlaubt uns zu ihm hinaufzukommen. Unser Respekt gebietet es, dass wir nicht einfach in sein Umfeld eindringen, sondern fragen, ob wir hinaufkommen dürfen. Gerald lächelt und freut sich sichtlich über die Zigaretten, den heißen Tee schlürft er vorsichtig, er erzählt, dass Franziska und Emma von Kathie, Franziskas Tochter, abgeholt wurden und noch nicht zurück seien. Wir reden noch ein wenig mit Gerald, bevor wir, in der Hoffnung Franziska noch zu treffen, wieder zurück Richtung Bus gehen. Leider ist Franziska immer noch nicht da.
Also geht’s für uns weiter, an den Pleschingersee, wo wieder einige Privatautos stehen, wir aber Richtung Campingplatz weiterfahren. Dort angekommen ist dieser wieder zugesperrt, also ist auch heute niemand hier. Vom Pleschingersee fahren wir in die Hafenstraße, weil uns erzählt wurde, dass am Winterhafen jemand schläft, wir finden weder Zelt noch Spuren, die das bestätigen. Vom Winterhafen noch zum Fernheizwerk, wo wir unsere Tour beenden und nach Ansfelden, ins Lager zurückfahren.
Im Bus ist es ruhig geworden, nachdenkliche Stimmung, Stille, verständnisloses ABER …. und ein „das hätte ich mir nicht gedacht“ von Christian L.. Um 23.45 Uhr haben wir alles wieder ins Lager gebracht und brechen auf, zur Metro, wo Christian L. sein Auto geparkt hat. Christian S. fährt noch mit zu mir, da dort sein Auto steht. Wir bleiben noch sitzen und quatschen noch eine halbe Stunde, bis 00.30 Uhr, haben Christian S. und ich noch einige Themen angesprochen, bis und beide der Schlaf ins Gesicht geschrieben steht.
Christian fährt nach Hause und ich gehe die Thermoskannen auswaschen, und die Fotos noch zu sichern, im Nachtrag dauert es für mich trotzdem noch bis 2 Uhr früh, bis ich die nötige Ruhe habe, ins Bett gehen zu können. Manchmal wühlt diese Linz-Tour schon auf, besonders wenn wir in Gesprächen erfahren, womit unsere Schützlinge so kämpfen. Da vermischen sich Wut und Unverständnis und an ein Einschlafen ist hier nicht zu denken.
Doch auch diese Linz-Tour ist wieder gut gelaufen und wir durften wieder helfen, danke liebe Spender:innen, danke liebe Wegbegleiter:innen für die emotionalen Stützen.
Danke für Eure Aufmerksamkeit und euer Wohlwollen.
Gott segne Euch!