Der Obdachlose und die Gala-Gäste!
Der Obdachlose und die Gala-Gäste!
Linz-Tour vom 13.1.2024:
Am heutigen Vormittag im Lager keine Spendenannahme, sondern Inventur im Lager. 12 aktive Mitglieder halfen und wir haben alles wirklich bravourös gemeistert. Nicht nur dass wir die Zählarbeiten geschafft haben, sondern viele Artikel noch in die Regale einräumen konnten, das wieder Ordnung ist in unserem Lager, darüber bin ich sehr froh und glücklich.
Der Vormittag heute ging bei mir wieder um 6 Uhr früh los, alle Vorbereitungen im Lager machen, dass, wenn später unsere Helferleins kommen, alles bestens vorbereitet ist. So ein langer Vormittag im Lager, der heute erst um 14 Uhr endet, ist eine richtige Anstrengung, weil ich auch für die heutige Linz-Tour, die wir ab 18 Uhr fahren, erst vorbereiten muss.
Heißen Tee zubereiten, Nächtigungsjetons einpacken, Taschenlampen aufladen usw., das alles kostet natürlich Zeit, und wenn man nach einem langen Vormittag zu Mittag müde nach Hause kommt vom Lager, dann kostet das immens viel Kraft. Ich musste mich noch eine halbe Stunde hinlegen, da ich sonst die Linz-Tour, die bis Mitternacht….1 Uhr früh dauern kann, nicht überstehen würde.
Vom kurzen Nickerchen auf meiner Couch wurde ein einstündiger Schlaf, den Wecker nicht gehört und schon habe ich verschlafen. Um 17.15 Uhr aufgestanden, schnell 8l Wasser für den heißen Tee gekocht, Teepulver angerührt, abgeschmeckt, die aufgeladenen Lampen einpacken, die Tasche mit den Nächtigungsjetons auffüllen und schon klingelt es an meiner Tür, Christian, der mich neben Verena heute begleitet, ist da. Noch einen Kaffee für Christian, der genauso müde aus der Wäsche schaut wie ich. Ich ziehe mich warm an, noch gutes Schuhwerk und den warmen Anorak, Handschuhe, und los geht’s. Ab zur Metro, wo wir Verena abholen werden.
18.15 Uhr, Abfahrt nach Linz, mit Verena und Christian. Erster Halt Schillerpark und Volksgarten, wo wir niemanden antreffen. Weiter zum Bahnhof, bei der Post parken wir und gehen durch den Bahnhofspark, die Bahnhofshalle und die Tiefgarage beim Finanzamt. In der Bahnhofshalle treffen wir die ÖBB Security, mit denen wir einige Sätze tauschen und in die Tiefgarage weiterziehen. Dort finden wir einige Taschen voller Damen-Kleidung, die weit ausgestreut herumliegt. Daneben Tabletten, viele angeheizte Alufolien das den Drogenkonsum hier beweist. Es sind immer wieder Drogensüchtige die hier Partys feiern, meist wenn keine Obdachlosen hier sind. Heute aber finden wir einen Mantel, auf dem sich vermutlich ein Obdachloser ausgeruht haben dürfte. Treffen tun wir aber niemanden.
Also weiter geht’s, zurück zum Bus, wo uns schon ein Passant erwartet und uns für das dankt, was wir so machen. Er sei in unserer Facebookgruppe und liest alles mit, was wir so machen. Nur mit der Politik in Linz, hadert auch dieser Herr. Er kenne den Linzer Bürgermeister aus gemeinsamen Vereinstagen, in denen er des Öfteren mit ihm zusammenkrachte. Er erzählt uns, dass auch er vor Jahren von Obdachlosigkeit bedroht war, wegen seiner Scheidung. Er konnte dank fremder Hilfe dieses Schicksal abwenden, aber vergessen werde er diese Zeit niemals. Er bedankt sich noch einmal bei uns für die Arbeit, die wir machen. Wir fahren weiter, zum Terminal.
Bei Gaby ist unser Halteplatz, sie ist gerade nicht da, von Weitem sieht uns M., der auch bei Lennys Bank liegt, er kommt und bittet um einen heißen Tee. „Lenny kommt auch gleich, wegen dem Tee“, sagt uns M.. Wir teilen auch heute an jeden 3 Zigaretten aus, was unseren Schützlingen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Marius fragt nach seinen 47er Schuhen, die ihm versprochen sind, die wir aber leider im Lager vergessen haben. Marius muss sich die Schuhe am Donnerstag beim Bus holen. Gaby wünscht sich warme Handschuhe und wärmere Schuhe, und zu essen. Gaby erzählt, dass ihr viele Dinge gestohlen werden, von Rumänen, die sich manche ihrer Sachen holen, wenn Gaby schläft. Alle wollen den Becher nochmal gefüllt bekommen, bevor wir in den Keller gehen, in die Bahnhofstiefgarage.
Wir suchen in der Bahnhofshalle nochmal die ÖBB Security, die für berechtigte Obdachlose Nächtigungsjetons brauchen, und geben ihnen 20 Stück aus unserer Tasche. Ausgegeben werden diese Jetons direkt an jene Obdachlose, die in die Notschlafstelle dürfen sich aber die Jetons selbst nicht kaufen können. Hier können wir uns drauf verlassen, dass jeder einzelne Jeton auch wirklich bei den Menschen ankommt, die diesen Jeton brauchen.
Weiter in die Tiefgarage rüber, wo einige Jugendliche, die weit unter 18 Jahren sind, offen mit Wodkaflaschen, mit Rumflaschen und Cola-Dosen herumstehen. Wir gehen eine Runde in der Tiefgarage, es stinkt gewaltig nach Urin und quetschen uns zischen den Autos durch, einen Blick in den Fahrradkeller zeigt uns, dass auch dort jemand schläft aber derzeit nicht da ist. Weiter, zurück ins Terminal zu unserem Bus, wir schenken allen nochmal heißen Tee nach, Für Gaby füllen wir noch eine kleine Thermoskanne, und fahren dann vor, zu M., Lenny und Marius. Marius liegt am eiskalten Steinboden, wir geben ihm eine dicke Isomatte damit er hier weicher liegt und nicht diese unerträgliche Kälte vom Boden spüren muss. Die Becher werden auch nochmal aufgefüllt, dann geht’s weiter, zum nächsten Hot Spot.
Nähe Bulgari Platz, dort, erzählte mir P., hätte er eine Holzhütte als Unterschlupf bekommen, wir gehen einige Runden, finden diese Holzhütte nicht, ich muss am Donnerstag P. nochmal fragen, wo genau seine Hütte steht. Weiter geht’s, in die Wiener Straße, dort hat Tony ebenfalls eine Holzhütte, über die er sehr glücklich ist. Wir nehmen für Tony gleich den Tee mit, als er öffnet, bedankt er sich wieder für die Lampe und die Powerbank, die er von uns bekam. Er ist so bescheiden und diese kleinen Dinge, machen Tony glücklich. Tony lächelt, nimmt seinen Tee und verabschiedet sich, zurück in seine Koje. Weiter geht’s!
Nähe Autobahnauffahrt Wiener Straße gehen wir zu Michel, dem ehem. ORF-Redakteur, der seit Jahren obdachlos ist. Unter einer Brücke „wohnt“ Michel. Als wir an Michels Schlafplatz ankommen, fehlt seine Matratze, gegenüber, wo ein neuer Obdachloser schläft, ist auch niemand anwesend, der uns etwas über Michels Verbleib sagen könnte. Komisch! Ich werde Michel wieder finden und mich wieder um ihn kümmern.
Im Transporter geht’s bei den Barmherzigen Brüdern vorbei, um nachzuschauen wie es den Herrn Ingenieur geht, der vorm Heindl schläft. Doch er ist auch nicht mehr da, ok, also auch wieder weiter zum Dom, einmal rundherum, nichts Auffälliges. Weiter Richtung Donaulände, wo beim Brucknerhaus ein HTL-Ball stattfindet. Wir parken und fragen den Portier des Brucknerhauses, ob wir 10 Minuten stehen bleiben dürfen, da sonst eine Anzeige droht. Einmal linksherum, Verena zeige ich dann, wo und wie Florian als Obdachloser lebt, mitten im Dreck unter einer Gewebeplane, Verena ist kurze Zeit still, viele Gedanken prägen diesen Moment, bei uns dreien.
Wir gehen die Runde ums Brucknerhaus weiter, und siehe da, der Schlafplatz, der in der Vergangenheit oft verlassen war, ist heute belegt. Hinter großen Betonteilen hat sich ein Obdachloser verkrochen, um nicht gesehen zu werden. Wir stehen alle drei vor dem Schlafplatz und 2 Meter weiter ist der Vorhang ins Innere des Brucknerhauses offen, und man sieht die Menschen tanzen, trinken, essen, lachen und reden, sie sehen uns und schauen, was wir machen. Der Obdachlose, den wir gefunden haben, zieht sich an und kommt mit uns, zum Bus. Wir gehen den Galagästen großräumig aus dem Weg, zum Bus, wo wir dem Obdachlosen eine warme Winterjacke, einen warmen Pullover, Lebensmittel, Getränke und ein paar Zigaretten einpacken. Mit einem glücklichen Lächeln bedankt er sich gefühlte 10-mal, er konnte es nicht glauben, dass hier Menschen unterwegs sind, um Obdachlosen zu helfen. Er trinkt hastig den heißen Tee, worauf er sich verschluckt. Er ist groß, ich schätze so knappe 2 Meter groß, ein kantiger, starker Mann, dem man mit solchen Kleinigkeiten eine große Freude machen kann. Austria super, sagte er immer wieder, und konnte nicht glauben, dass wir ihn hinter den Betonteilen finden konnten. Er geht glücklich zurück an seinen Schlafplatz, mit gleichem Umweg an den Galagästen vorbei. Diese Situation ist an Dekadenz nicht zu überbieten. Hier der Obdachlose, der friert und hungert, 2 Meter weiter, der geöffnete Vorhang mit hunderten Galagästen, in feinsten Kleidern.
Wir brechen auf, nach Urfahr, unter die Nibelungenbrücke, wo wir ebenfalls Schaumstoffe fanden, wo sichtlich jemand genächtigt hat, heute aber niemand anzutreffen ist. Hier, direkt an der Donau, noch kälter als anderswo und noch verlassener als die City. Wir fahren weiter, zur Tankstelle, eine kurze Pause ist auf dem Plan, bei Kaffee und Käseleberkäsesemmerl, ein willkommener Halt, der den Abend etwas zerstreut und die Dramatik aus dem Geschehen nimmt. Nach ein paar Minuten fahren wir zu Franziska, Emma und Gerald.
Dort angekommen, nehmen wir Zigaretten für Gerald mit und die Kanne heißen Tee mit Bechern. Den Hügel kommen wir heute gut hinauf, da er ausgetrocknet ist, sonst ist hier nur Gatsch und die lauernde Gefahr, an diesem Hügel zu scheitern und das Vorhaben abzubrechen. Franziska schält sich aus dem Deckenberg, der sie zudeckt, und Emma krabbelt unter dem Gästebett von Franziska hervor. Emma humpelt wieder, diesmal an der vorderen Pfote, hinten die Stelle, die ihr weh tat, ist immer noch nicht ganz abgeheilt und wird mit Bepanthenspray eingesprüht, und jetzt auch noch vorne eine weitere Stelle die Emma sichtlich weh tut. Nach eingehender Begrüßung von Franziska und Emma, gehen wir um die Ecke, zu Gerald, der ebenfalls schon liegt, uns aber erlaubt, zu ihm hinaufzukommen. Tee und Zigaretten werden ausgehändigt, Verena ist sichtlich berührt von Geralds Schicksal und seinem Schlafplatz, der sehr vermüllt ist. Gerald lächelt und wünscht uns noch ein gutes neues Jahr und fragt noch, ob wir Franziska angetroffen haben, er macht sich oft Sorgen um Franziska und Emma. Aber alles gut, wir verabschieden uns von Gerald und kehren nochmal kurz zu Franziska zurück. Sie trinkt binnen kürzester Zeit 3 große Becher heißen Tee, den Becher mit der Aufschrift „Franziska, sie kam, sah und siegte“ zieht Franziska ins Lächerliche, sie habe noch nie gewonnen, aber der Becher gefällt ihr gut. Also, weiter, es ist mittlerweile weit nach 22 Uhr, und wir haben noch ein paar Stationen vor uns.
Richtung Urfahr brechen wir auf, zum Finale dieser heutigen Linz-Tour, entlang der Freistädterstraße sehen wir niemanden, also weiter zum Pleschingersee, wo wir einem Reh am Straßenrand begegnen, das still steht, so wie wir. Wunderbar anzuschauen, wie es uns fokussiert. Im Schritttempo vorbei an dem Reh, nach wenigen hundert Metern einige Hasen im Feld, die wir im Scheinwerferlicht entdecken. Sie lassen sich nicht stören bei der Nachtjause am Acker des Pleschingersee. Als wir am anderen Ende des Sees sind, und schauen ob hier ein Obdachloser im Zelt nächtigt, kommt ein großer Audi, der uns beobachtet und direkt hinter uns umdreht. Er parkt weiter vorne abgedunkelt, in dem Moment kommt uns ein weißer Kastenwagen entgegen, mit dem uns dieser Audi-Fahrer verwechselt haben dürfte. Wir vermuten, dass hier in dieser totalen Abgeschiedenheit und in der Dunkelheit ein lukratives Geschäft gemacht wird, wissen es aber nicht. Das Verhalten war schon sehr auffällig.
Uns zieht es weiter, zum letzten Hot Spot, in die Industriezeile, auch hier Fehlanzeige, die Uhr zeigt bereits 23.10 Uhr an, Zeit, um den Tag und die Linz-Tour zu beenden. Wir sind müde und gerädert, nach so einem langen Tag. Also ab nach Ansfelden, ins Lager, alles ausladen und wieder einlagern. Im Nu sind wir fertig und fahren zur Metro zurück, wo Verena ihr Fahrzeug geparkt hat. Christian hat sein Auto bei mir zuhause geparkt, und ich danke dem Herrn für diese Linz-Tour, bei der wir wieder helfen durften. In EUREM Namen und EUREM Sinne. Vergelt’s Gott und habt großen Dank, dass wir auch diese Tour fahren durften.
Ich wünsche Euch noch einen erholsamen Rest-Sonntag, alles liebe und habt großen Dank für die moralische Unterstützung und die gut gemeinten Kommentare, sie tun gut, sehr gut.
Gott segne EUCH! 😊