Etwas mehr und etwas mehr Chaos!
Etwas mehr und etwas mehr Chaos!
Weihnachten steht vor der Tür, mit all dem üblichen Glanz, mit all der Tradition, die man gerne rund um das Christkind zelebriert und innerhalb der Familie gemeinsam eine stille Zeit verbringt. So sollte es sein, wenn man Familie hat, doch trifft das auf viele unserer Schützlinge nicht zu, und von dem ganzen Trubel rund um Weihnachten sind unsere Schützlinge nur selten bis gar nicht betroffen, da sie sich z.B. die Preise auf den Weihnachtsmärkten ohnehin nicht leisten können und obendrauf kommt noch die Enttäuschung über das Geschrei aus den katholischen Katakomben nach Ehrfurcht vor dem Glauben und vor dem Herrn. Unsere Schützlinge dankten aus ihrer Situation heraus dem Herrn ab, weil die wenigsten noch an ihn glauben können, weil sie nicht verstehen, wie der „Herr“ sie so im Stich lassen kann, im größten Desaster ihres Lebens. Ehrlich gesagt verstehe auch ich nicht, warum oft das Schicksal so hart zuschlägt und manche dafür auch ihr Leben lassen müssen.
Die stille Zeit kann schon eine sehr schöne sein, wenn man keine großen Sorgen hat, rund um seine Existenz. Unsere Schützlinge sind aber dazu verurteilt, jeden langen Tag, 24 Stunden lang, um ihr Leben zu kämpfen, draußen in der eisigen Kälte, im kalten Nass, umgeben von „Besserwisser“ die arme und obdachlose auch noch in den Rücken fallen und sie beschimpfen, bespucken und ihnen einfach nicht gut gesinnt sind. Liebe Leute, stellt euch einmal bei 0° für 2 Stunden hinaus, ihr werdet spüren, wie die Kälte schon bei 0° nach 2 Stunden in jede Pore zieht, und die obdachlosen Menschen sind aber 24 Stunden draußen in der Kälte, sind jeder geistigen Unreife mancher Beschimpfer am Terminal hilflos ausgesetzt, manchmal sind sie aber auch solchen „Menschen“ hilflos ausgeliefert, die ihnen im Schlaf das Wichtigste noch stehlen, oft fehlt z.B. am nächsten Morgen der Rucksack mit allen Dokumenten, die man noch hatte. Die widrigen Umstände beim Leben auf der Straße, die an jedem neuen Tag wieder da sind und nicht von alleine verschwinden, sind viele, viele Abstriche zu machen, ganz zu schweigen welchen Gefahren unsere Schützlinge kriminellen und gewalttätigen Jugendbanden ausgeliefert sind, wenn diese in Gruppen am Terminal oder in den Tiefgaragen erst in Fahrt kommen und manchmal auch mit gezücktem Messer ihren Forderungen Nachdruck verleihen.
Manchmal ist es nur noch schwer zu ertragen, was mir unsere Schützlinge erzählen, ich bin nicht so abgebrüht, um hier eine Grenze für mich zu ziehen und um die mir erzählten Worte ins Nirvana zu schicken, das lässt meine Wertschätzung gegenüber meinen Schützlingen gar nicht zu. Dass viele Dinge an den Hot Spots schon passierten, kann ich wahrlich bestätigen, da ich manchmal Augenzeuge war, manchmal aber auch das eigentliche Desaster kurz verpasste und mit den Folgen konfrontiert wurde. Wenn jemand grundlos zusammengeschlagen wurde und verletzt am kalten Asphaltboden liegt und weit und breit niemand da ist, der/die Hilfe ruft. Einige Male waren wir Teil solcher Eskalationen, ich erinnere mich an die Brüder unter der Brücke in Ebelsberg, wenn ich damals nicht von Stefan gewarnt worden wäre, Zitat: „Walter, ACHTUNG, Messer von hinten“, ich weiß nicht, ob ich dann heute leben würde und nicht diesem Brüderpaar zum Opfer gefallen wäre. Ich weiß es nicht.
Was ich sagen will, diese „stille“ Zeit ist nicht für jeden wirklich „still“, für manche ist es die traurigste Zeit des ganzen Jahres, manche Obdachlose kommen mit der Tatsache, dass niemand mehr sie achtet und respektiert gerade in dieser Zeit schwer zurecht. Oft ist es gerade die Weihnachtszeit, wo sich schwer kranke Menschen oder schwer angeschlagene Menschen mit dem Leben gar nicht mehr zurecht finden und auch keinen Weg mehr sehen, den sie noch gehen könnten im Leben. Manche versuchen dann gerade in dieser Zeit ihrem Schicksal ein Ende zu bereiten, manchmal gelingt es und ganz oft geht aber auch das völlig daneben. Liebe Leute, wie verzweifelt muss man sein, um solch endgültige Schritte zu machen?
Ich kann es einigermaßen nachfühlen, dass es für manche Menschen unüberwindbare Situationen geben kann, aber dazu kommt ein wichtiger Faktor, denn oft wurde diesen Menschen vorher alle Hoffnung genommen und der fiesen Willkür ausgesetzt, ganz oft treibt man diese Menschen zusätzlich zur widerlichen Beamtenwillkür in eine Ecke, wo man ihnen auch noch ihre kleinen Ansprüche, die sie teilweise haben, abspricht und streicht. Wie sonst kann es sein, dass eine Invaliden-Pensionistin € 438,56 Pension ohne Ausgleichszahlung bekommt. Ich darf hier über solche Tatsachen nicht weiter schreiben, da ich mich sonst strafbar machen würde.
Aber Fakt ist, dass wir unsere Schützlinge nicht im Stich lassen, solange es irgendwie geht. In den meisten Städten Europas geht man anders um mit obdachlosen und armen Menschen, ich sehe das durch zahlreiche Berichte eines befreundeten Vereins in Hamburg, was dort alles möglich ist und getan wird, und dann muss ich wieder den nüchternen Vergleich zu Linz ziehen, der mir deutlich zeigt, wo es hier im Argen liegt. Aber hier zu politisieren, habe ich lange schon aufgehört, weil ich wieder nur Zielscheibe mancher Linzer und oberösterreichischer Politiker werde, die sich dann auch noch echauffieren, dass der liebe Herr Kreische Dinge verdreht, es so nicht stimmt, was er sagt. Ich belüge niemanden und wische niemandem die Augen aus, aber Tatsache ist auch dass unsere Schützlinge kein Wählerklientel für die Politiker sind und deshalb Politiker oft erst gar nicht tätig werden. Ich könnte viele, viele Beispiele hier anführen, die Opfer der misslungenen Sozialpolitik in Oberösterreich wurden. Selbst wenn ich diese Beispiele öffentlich machen würde, hätten diese „Herren“ noch irgendwelche an den Haaren herbeigezogene Erklärungen, und das erspare ich mir und uns.
Weihnachten sollte für alle Menschen, ein Fest der Liebe sein, eines mit Wertschätzung und Respekt. Kommenden Verteil-Donnerstag werden wir die ersten Eurer Weihnachtsgeschenke verteilen, wir machen schon „Werbung“ dafür, damit so viele wie nur möglich zu uns kommen. Und am letzten Verteil-Donnerstag vor Heiligabend werden wir zusätzlich zu Weihnachtsgeschenken auch noch warmes Essen, Pikante Knödel mit Gulaschsaft und Sauerkraut und heißen Tee an unsere Schützlinge ausgeben. Ich freue mich wieder sehr auf diese 2 Verteil-Donnerstage, wo uns heuer Dank Fr. Prof. G. und Fr. Prof. W. je eine Klasse des Stiftgymnasiums Wilhering zur Seite stehen wird und uns bei der Ausgabe unterstützen wird. Wir hatten ja heuer schon die 3D Klasse dieses tollen Gymnasiums zu Gast beim Verteil-Donnerstag und es war ein großartiger Tag für die Jugendlichen Schüler: innen, deshalb äußerten sie damals schon den Wunsch, wiederkommen zu dürfen.
Heuer, am Heiligabend werde ich wieder, wie auch in all den letzten Jahren nach Linz zu meinen Schützlingen fahren, um Ihnen heißen Tee und warmes Essen zu bringen, und ein kleines Weihnachtsgeschenk ist an diesem Abend auch nochmal dabei. Darauf freue ich mich wieder besonders, ein paar Stunden dieses Abends mit meinen Freunden am Terminal zu verbringen.
Die Dankbarkeit unserer Schützlinge an den Verteil-Donnerstagen ist schon sehr groß, besonders neuen Mitgliedern/Helfern fällt diese große Dankbarkeit und Bescheidenheit unserer Schützlinge auf und empfinden es einfach nur als schön, dass so viel Dankbarkeit und Demut zu uns zurück kommt. Erst vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit jemandem über unseren Verteil-Donnerstag, der ursprünglich nicht einmal wusste, was der Verteil-Donnerstag überhaupt ist und welche Menschen zu uns kommen. Er zog unseren Verein und unsere Aktion ins Lächerliche, bis ich ihm einige Beispiele vor Augen hielt, er wurde schnell ruhig, wenngleich er auch kopfschüttelnd und ungläubig dann unser Gespräch abrupt beendete, um nach etwa 40 Minuten wiederzukommen und mir seine neuerlichen Überlegungen kundzutun, er sichtlich einsichtiger geworden ist, aber immer noch mit großen Zweifeln behaftet war. Ich versuche immer wieder den Menschen zu sagen, dieses Schicksal könnte Auch dich treffen, NIEMAND ist sicher vor Armut oder Obdachlosigkeit, NIEMAND, liebe Leute.
Unser Verteil-Donnerstag diese Woche wird von großer Kälte begleitet werden und wir wissen nicht, wie viele Menschen heute zu unserem Bus kommen werden. Wir treffen alle Vorkehrungen deshalb so, dass auch der Letzte in der Warteschlange noch genug bekommt und satt wird, 1 Woche lang. Die üblichen Vorbereitungen ziehen sich diesmal wie Schweizer Käse, da wir neben allen Vorbereitungen auch noch Spendenannahme machen, da letzten Samstag wegen der Wetterkapriolen fast niemand mit den Weihnachtsgeschenken zu uns kam. Wir bilden deshalb 2 Teams, eines macht die Vorbereitungen für den Verteil-Donnerstag, und eines übernimmt die Spenden, trägt die Spenden in die Listen ein und lagert es anschließend ein. Eine Mammutaufgabe heute, beides irgendwie auf Schiene zu halten. Conny, die uns mit ihrer Schwester Spenden und Weihnachtsgeschenke bringt, erkennt unsere Helfer-Not und bietet sich uns als Hilfe an. Großartig, liebe Conny, Vergelt’s Gott!
Doch das Chaos und die Übersicht auf unserem 2-gleisigen Weg heute Vormittag, wird zunehmend prekärer. Da sind um 12 Uhr mittags noch keine Akkus geladen, kein Teewasser zugestellt, keine Kleidung zusammengestellt, die wir heute ausgeben werden, all die Pakete und Kleiderspenden, die wir eigentlich nicht mehr annehmen wollten aus Platzmangel, das alles trägt zur Zuspitzung der Lage bei, wir aber arbeiten eines nach dem anderen ab. Unsere Hilde und Conny zählen und schlichten seit heute früh den Spendeneingang weg, Rena und Manfred der ebenfalls als Helfer gekommen ist, beginnen beim Schinken der neu abgepackt werden muss, beim Käse der neu aufgeteilt werden sollte und all jenen Dingen, die für den Verteil-Donnerstag wichtig sind. Ich bin zu Mittag schon so kraftlos, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen kann, wie ich den restlichen Tag noch schaffen soll. Aber nicht jammern, nur nach vorne schauen und das Beste draus machen.
Heute sind wir mit allen Vorbereitungen und dem restlichen Chaos erst um 15.24 Uhr so weit, dass wir Richtung Linz aufbrechen können. Spät kommen wir heute in Linz an, wo uns schon etwa 25 unserer Schützlinge begrüßen. Wir laden schnell aus und stellen alles in Windeseile auf, aber selbst hier ist heute alles etwas chaotischer als sonst. Wir sind mit allem erst um 16.10 Uhr fertig, jetzt brauche ich noch ein paar Minuten Pause, um zu verschnaufen und mich mental auf die Ausgabe einzustellen. Punkt 16.18 Uhr beginnen wir mit der Ausgabe, wir sehen, dass manche schon durchgefroren sind und zittern, was aber teilweise der leichten Bekleidung geschuldet ist. Sie alle wissen, dass es unter Umständen ein bisschen länger dauern kann, bis sie dran sind. Die ersten aus der Warteschlange winke ich schnellstmöglich durch, manche, die schon 3-mal erinnert wurden, schicke ich rüber zum AMS am Bahnhof, um den aktuellen Einkommensnachweis zu holen. Hier ist uns wichtig, alle in der Warteschlange gleich zu fordern und von allen den Einkommensnachweis einzufordern. Wenn manche sich auch unter Protest Richtung Bahnhof zum AMS aufmachen, werden wir es nicht akzeptieren, wenn jemand schon 3-mal erinnert wurde und immer noch keinen Einkommensnachweis brachte, nach dem 3. Mal gibt es nur noch eine kleine Ration Lebensmittel und keine Kleidung mehr.
Bei Halbzeit etwa kamen 4 Asylwerber, nach ihren Aussagen von der Caritas zu uns geschickt, um sich bei uns mit Lebensmittel einzudecken. Ich versuche die Caritas telefonisch zu erreichen, um diesen Vorgang mit ihnen abzuklären, doch niemand hebt ab. Wie schon oft hier beschrieben, dürfen wir Asylwerber oder Flüchtlinge gar nicht mit Spenden versorgen, weil diese in Bundesbetreuung sind, so wurde uns vor einiger Zeit mitgeteilt. Warum uns dann jede Woche die Caritas wieder Menschen schickt, um diese mit Spenden auszustatten, ist mir mehr als suspekt. Ich erkläre den Menschen, dass sie bei uns nicht „richtig“ sind, hungrig schicken wir trotzdem niemanden weg, eine Portion Schinken und Weißbrot bekommen auch sie.
Zwischendurch füllt sich die Warteschlange nur mehr schwer und Doris, die uns heute bei der Ausgabe unterstützt und selbst ganz viel Lebensmittelspenden wie z.B. Fischdosen mitgebracht hat, ist sichtlich bemüht es allen recht zu machen, was bei manchen zu einem „gefühlten“ Freibrief führt, dass sie gleich noch mehr wollen als wir eigentlich pro Person kalkuliert haben. Ich kläre Doris auf warum ich bei manchen „Nein“ sage, wenn z.B. jemand gute Winterschuhe trägt, bekommt er/sie erst von uns neue, wenn die alten kaputt sind. Wir statten die Menschen nicht mit 2 oder gar 3 Paaren Schuhe aus, das ist nicht unsere Intention.
Langsam wird’s finster und ich schaue in unserem Programm nach, wie viele Besucher wir bisher hatten, es ist 17.40 Uhr und wir hatten heute bisher 61 Besucher. Am Ende um 18.15 Uhr werden es heute gesamt 76 Schützlinge sein, die uns besuchen. Am Monatsanfang schon 76 Menschen, die jetzt schon nicht mehr weiter wissen, nicht mehr wissen, wie sie so viel „Monat“ mit so wenig Restgeld über die Runden bringen sollen. Manche sind wahre Sparmeister und kommen grade so noch über die Runden, da darf aber nichts passieren, nichts Unvorhergesehenes, denn dann läuft das „Monat“ noch weiter aus dem Ruder.
Um es auch allen Rumänen und Bulgaren zu erklären, wo sie Hilfe bekommen, haben wir unseren Text neu aufgesetzt und diesen in 10 verschiedene Sprachen übersetzt, und diese Beschreibung zeige ich jenen, die immer so tun, als würden sie kein Wort verstehen. Auch haben wir jene Adresse eingepflegt, die zuständig ist für sie. Das wollen naturgemäß die Wenigsten lesen oder wissen, aber alle haben sich an Gesetze und Vorgaben durch Behörden oder Institutionen zu halten, auch wir.
18.15 Uhr, die Kälte ist in der Zwischenzeit in jede Pore eingezogen und lässt uns frieren, wir packen schnell zusammen und brechen auf Richtung Ansfelden, unser Max fährt Doris noch nach Pichling, weil sie von dort abgeholt wird, um nach Hause zu kommen. Wir aber brechen auf ins Lager, Ingrid, Thommy und ich. Thommy fährt morgen Freitag in seine Heimat darum entschuldigt er sich und fährt heim, Ingrid und ich beginnen auszuladen und wieder einzulagern. Simone und Hilde, die uns heute ebenfalls geholfen hatten beim Verteil-Donnerstag sind direkt von Linz heimgefahren, auch sie waren durchgefroren.
Wir spüren es heute am eigenen Leib, was es heißt, 2 Stunden bei einem unguten, leichten Wind der Kälte ausgesetzt zu sein. Wir aber fahren nach 2 Stunden heim, unsere Schützlinge bleiben aber im Kalten und im Ungewissen, das verlangt mir jedes Mal größten Respekt ab, wie die meisten kämpfen, jeden Tag, jede Nacht, zu jeder Zeit, gegen alles, was sich ihnen entgegenstellt, wie z.B. große Teile der Gesellschaft.
Ich aber sitze da, und habe nun fast 4 Stunden an diesem Posting geschrieben, habe versucht, Euch in Gedanken mitzunehmen, auf unsere Reise, Euch zu erzählen, was Gesprächsthema war und ist, welche Vorkommnisse waren und wohin unsere „Reise“ geht.
Ich danke allen Spender:innen und allen Wegbegleiter:innen, dass wir auch diesen Verteil-Donnerstag durchführen durften. Vergelt’s Gott und habt großen Dank.
In meinem Kopfhörer läuft „A Couple More Years“ von Dr. Hook, ein Lied das ich sehr liebe, daraus folgende Textsequenz in Deutsch:
„Ich bin ein paar Straßen mehr gegangen als du,
Baby, das ist alles.
Mädchen, Ich bin müde vom Laufen, während du gerade krabbeln lernst.
Du gehst irgendwohin...
Und ich war irgendwo
ich fand, es war eigentlich nirgends“
Euch allen einen erholsamen Sonntag und alles, alles liebe zum 2. Advent, Gott segne Euch!