Die 1. Linz-Tour in der Saison 22/23
Nach unserer „Sommerpause“...
...stand gestern die erste Linz-Tour an. Wir fuhren wieder von 18-23Uhr die Hot Spots, die Schlafplätze der Obdachlosen an, um diejenigen, die es am Donnerstag nicht zu unserem Bus schaffen, mit dem Nötigsten zu versorgen. Hier beginnen wir von Neuem, ich habe keine Ahnung was heute auf uns zukommt. Begleitet werde ich heute von Rudi, der gespannt auf die heutige Tour ist.
Am heutigen Samstagvormittag, eigentlich Spendenannahmetag richten mir Beate und Petra die Boxen zusammen, die wir wieder mitnehmen um für (fast) alles gerüstet zu sein. Rudi hole ich um 18Uhr bei der Metro ab und wir brechen auf, nach Auwiesen wo wir als Verein eine 36m² GWG-Wohnung angemietet haben, und wo Obdachlose temporär einziehen dürfen, um sich dort anzumelden, um eine Sozialleistung zu beantragen und um ein wenig Ruhe ins Leben einkehren zu lassen. Die Aufenthaltsdauer ist begrenzt auf 6 Monate, in dieser Zeit wird eine Nachfolgewohnung gesucht, werden unsere Schützlinge nicht alleine gelassen. Heute ist der erste Weg unserer Linz-Tour in die Wohnung, um dort den Fernseher einzurichten, den unsere Rena spendete. Rudi kennt sich gut aus und es ist eine Sache von wenigen Minuten, und der TV läuft und Rudi kann sich die Zeit vertreiben. Er hat ja gar nichts, weder Radio noch Zeitung, und ab sofort einen Fernseher. Sein Lächeln glänzt und er zeigt seine Freude.
Rudi und ich brechen wieder auf, Richtung Innenstadt, zur ersten Obdachlosen-Clique, die unter einer Brücke schläft. Zu dritt sind sie dort und auch der altbekannte Michael, der an anderen Orten schon oft mit dem Feuer spielte und manches anzündete, ist hier. Die anderen ermahnen Michael immer, aber er tut, was er will, und gefährdet so den Aufenthalt der anderen hier unter dieser Brücke, was die Beiden anderen wütend macht, verständlicher Weise. Alle 3 brauchen dringend Lebensmittel, also mitkommen zum Bus der etwa 500 Meter entfernt steht. Wir geben den dreien alles, was sie brauchen einschließlich 3 Zigaretten, die wir gespendet bekamen. Weiter geht es in die Innenstadt.
Schillerpark und Volksgarten sind voller Menschen, jedoch kein einziger Obdachloser. Wir versuchen es im Bahnhofspark, dort treffen wir Steffi, Marcel und Mark. Alle drei würden Lebensmittel brauchen, Mark außerdem noch Schuhe. Beim 2. Blick sehen Marks Schuhe noch ganz passabel aus, also vertröste ich ihn auf kältere Zeiten, wenn seine Turnschuhe wirklich zu kalt sind. Aber wie schon angemerkt, geben wir aus purem Wunsch nicht einfach neue Spenden aus, wenn diese nicht wirklich dringend benötigt werden. Vom Bahnhofspark noch runter in die Tiefgarage und dann ab ins Terminal.
Wir parken bei Gaby, die grade nicht an ihrem Platz ist. Ich gehe zu einer Sitzbank in der Mittelreihe, wo sichtlich ein Obdachloser liegt, der unserem Affi von hinten sehr gleicht. Drüben angekommen sehe ich wirklich Affi vor mir, dem es sichtlich nicht gut geht. Er hat große Schmerzen, Hunger und Durst, und es ist ihm kalt. Rudi stellt für Affi ein Sackerl zusammen mit allem, was er haben mag, und zusätzlich eine warme Decke und eine Isomatte. Am Terminal zieht es abnormal, dort ist es auch kalt, wenn es draußen halbwegs erträglich ist. Bei Affis Schlafsack ist zwar der Reißverschluss kaputt, aber mit der Decke drüber geht das gut, er wird nicht frieren. Affi würde halt gerne in die Notschlafstelle schlafen gehen, aber dort wird er oft nicht eingelassen. Ich rede ihm gut zu seinen Alkoholkonsum herunterzufahren, da ich befürchte, dass er sonst den kalten Winter auf der Straße nicht überleben wird. Affi ist ein Mensch, der mir zutiefst ans Herz gewachsen ist, der noch nie unfreundlich oder unfair gewesen ist, Affi ist vom Leben, von seinem Schicksal gezeichnet und seine Art all die Schicksalsschläge zu bewältigen ist leider der Alkohol. Affi ist weit über 60 und ich denke, jeder Entzug wäre für ihn eine viel zu große Hürde, er hat keine Kraft mehr zu kämpfen, und das sieht man deutlich. Er tut mir einfach leid und weiß grade nicht, wie ich ihm außer mit Lebensmittel und einer warmen decke, sonst noch helfen könnte? Es tut so unendlich weh, zuschauen zu müssen, wie Menschen langsam zugrunde gehen, weil sie keine Kraft mehr haben, Entscheidungen zu treffen und diese zu ertragen.
Auf der Bank neben Affi sitzt R., der so stolze Parkraumwächter aus dem Beitrag von LT1. Er hat seine Freundin verloren und sie hat ihn vor die Tür gesetzt. Er ist betrunken, er ist verzweifelt und er hat keine Hoffnung mehr, dass ihm jemand aus diesem Dilemma hilft. R., erzählt mir, dass er so viele „Baustellen“ hat, dass er sie gar nicht mehr zählen kann, er braucht dringend jemanden der/die mit ihm all die Probleme sortiert und einen „Schlachtplan“ mit ihm erstellt. Ich rufe sofort unsere göttliche Unterstützung aus dem Orden der Oblatinnen an, Sr. Lydia war immer eine große Stütze bei solchen Problemen. Sie sagt mir Unterstützung zu, sie kennt R. und ich schicke ihr mit Erlaubnis R.'s Nummer, merke aber an, dass heute eine Kontaktaufnahme nicht mehr sinnvoll ist. Ich berichte R. von Sr. Lydia, und dass sie ihn anrufen wird und ihm helfen wird. Rudi geht zum Bus und packt für R. noch eine Tasche Lebensmittel und Getränke, eine warme Jacke braucht er auch noch die ich hole, R. ist in den paar Monaten seit dem Filmbeitrag von Ali Andress ganz schön in die Räder des Lebens gekommen. Ich sage und zeige R., dass wir ihn auch deshalb nicht fallen lassen werden, ihm weiter helfen werden, auch wenn er jetzt wieder auf der Straße gelandet ist und auch seine Arbeit verloren hat, und auch keinen Anspruch auf irgendeine Leistung hat, weder Sozialhilfe noch AMS-Geld. Rudi gibt R. noch einige seiner selbst gestopften Zigaretten und wir verabschieden uns auf die Terminalrunde.
Auf der anderen Seite sitzt eine alte Bekannte, Elke, wie immer liegt sie mit ihrem Kopf auf dem Koffer und mag keine Hilfe, aber ab und an, wenn sie munter ist, unterhält sie sich gerne. Heute schläft sie und wir gehen ruhig vorbei. Wir gehen runter in die Bahnhofstiefgarage, ein Schwall an gemischten Düften schwappt uns entgegen, Urin, Kot, Alkohol, Drogen, Abgase und vieles andere. Diese Örtlichkeit wird gerne benutzt, um Drogen zu verkaufen oder zu verstecken, hier treffen sich viele Dealer, um ihr Dreckszeug auch an Minderjährige zu verkaufen. Fällt uns diesbezüglich etwas auf Rufen wir immer gleich die Polizei an, und versuchen die Verstecke der Drogen auch an die Polizei zu melden, ebenso Bilder von Dealern. Warum hier keine höhere Präsenz gezeigt wird, ist mir ein Rätsel. Einmal sagte man mir am Telefon: „Wir haben keine Einheiten für solche Sachen“, und es wurde uns damals auch wirklich keine Polizeistreife geschickt. Aber wenn ein Obdachloser verbotenerweise im Schillerpark Alkohol trinkt, zückt man schnell den Zettel und straft mit vollen €280,- die Obdachlosen, egal ob Polizei oder Ordnungsdienst, hier sind sich beide „Einheiten“ einig, auf Anordnung der Stadt Linz. Aber andere dürfen dort, so wie gestern, unbekümmert Alkohol trinken und Lärm machen. Ich verstehe vieles nicht, es hat sich seit Frühjahr 2022 nichts geändert, man hetzt die Obdachlosen immer noch durch die Stadt und niemand sagt ihnen, wo sie bleiben und wo sie schlafen dürfen. In der Tiefgarage treffen wir Peter und Gary, beide sind obdachlos und beide sind Opfer ihres Schicksals. „Wir haben alles, Walter“. Ok, ich verweise noch auf unseren Verteil-Donnerstag, wo sich beide Lebensmittel und anderes holen können.
Rudi und ich gehen zurück zum Bus im Terminal. Ein neuer Obdachloser wartet vorm Bus und bittet auch um Lebensmittel, eine ältere Frau mit einem alten Gehwagerl fragt uns, wo sie ein leichteres Gehwagerl bekommen könnte? Das alte ist zu niedrig und zu schwer, sie kann es nicht über die Gehsteigkante heben, für die Frau ein großes Problem. Sie ist nicht obdachlos und sie hat eine Wohnung und eine Pension, beobachtet unsere Arbeit am Terminal und lobt uns mit großen Tönen. Ich empfehle ihr bei der Krankenkasse nachzufragen, ob es ein leichteres Gehwagerl gäbe für sie. Sie nimmt diesen Tipp gerne mit und wir verabschieden uns von unseren Schützlingen am Terminal.
Weiter geht es Richtung Donaulände, zu Florian. Er ist nicht an seinem Platz, wir drehen uns um und sehen ihn kommen. Florian fragen wir, ob wer etwas benötigt: „Ja bitte, Unterhosen und Socken, und wenn es kälter wird eine neue Haube, Handschuhe und eine Trainingshose“, was ich ihm heute schon verspreche. Florian hatte auch sein Lächeln im Gesicht, er hat uns vermisst über den Sommer. Florian geht mit zum Bus und wir suchen seine Sachen zusammen und er passt noch die ausgehändigte Trainingshose an, ob sie passt. Sie passt!
Weiter zu Gerald und Franziska, unter die Autobahnbrücke, mittlerweile regnet es und es ist rutschig, wen man in der Wiese geht. Und zu den Beiden müssen wir einen kleinen rutschigen Hang hinauf, um zu ihrem Platz zu kommen. Wir geben Gerald Zigaretten und Emma, Franziskas Hund kennt mich wieder und beginnt zu winseln. Gerald sitzt und bedankt sich für die Zigaretten und….beginnt Franziska aufs gröbste zu beschimpfen. Ups, so habe ich Gerald noch nie gehört oder gesehen, total aggressiv und jenseits von Gut und Böse, was er da so loslässt, er hört nicht auf Franziska wüst zu beschimpfen, ich habe Angst die Situation eskaliert ins bodenlose, wir fragen Gerald ob er etwas haben mag, was er verneint, gleichzeitig aber in Richtung Franziska schimpft: „Gehst jetzt mit das Sackerl zu holen, du Dr…….sau“. Bumm, wie gesagt ich habe solche Sätze von Gerald noch nie gehört, goutiere diese auch nicht, deshalb gehen Rudi und ich zum Bus, Franziska und Emma begleiten uns. Beim Bus rede ich mit Franziska, was das soll, seit wann Gerald das macht? Immer schon, aber früher machte er es nur wenn wir alleine waren. „Wenn ich ihm keinen Kaffee und keine Zigaretten bringe, schimpft er mich so“, sagte uns Franziska. Eine völlig „neue“ Facette von Gerald, die wir aber ganz bestimmt nicht fördern werden, so etwas geht gar nicht, auch nicht von Gerald. Hier gibt es kein Nachsehen! Wir packen 2 Sackerl eines für Franziska und eines für Gerald, das auch Franziska mitnimmt. Sie hat keine Angst vor ihm, ich sehe ab heute Gerald mit anderen Augen.
Mittlerweile ist es 21.30 Uhr und ich merke wie mir der Vormittag im Lager, die Spendenannahme in den Knochen sitzt, bin müde und erschöpft. Ich sage noch zu Rudi, 2 Stationen noch dann geben wir für heute w.o.. Ich kann nimma. Wir fahren noch den Pleschingersee an, wo wir eigentlich genau wissen, dass Günther dort schläft, er gibt sich nicht zu erkennen, aber ein fremdes Auto fährt auf uns zu, bleibt stehen und die jungen Typen beschimpfen uns aus dem Auto heraus, machen sich auch noch lustig über uns, einfach abgedreht. Wenn schon jemand mit unserer Arbeit nichts anfangen kann, soll er sich zumindest in Schweigen üben, bevor er solche Tiraden loslässt und uns ins Gesicht spuckt. Dumme Menschen machen so etwas, aber dumm zu sein entschuldigt kein einziges dummes, niederträchtiges Benehmen. Wir bringen viel Kraft, Zeit, Geduld und Geld auf, um Menschen zu helfen, dann beschimpft zu werden, wenn wir Nächtens um 22Uhr auf der Linz-Tour sind, ist schon etwas gar abartig.
Sodale, wir steuern unsere letzte Station in der Industriezeile an, und schauen nach ob sich jemand hierher verirrte, heute nicht. Es regnet und wir beschließen, für heute aufzuhören. Auf ins Lager nach Ansfelden, wo wir alles ausladen und wieder einlagern, und um 22.40 Uhr setze ich Rudi bei der Metro wieder ab, um den gemeinsamen Abend auf der Linz-Tour zu beenden.
Vielen Dank all unseren Spender: innen und Gönnern: innen dass wir auch diese Hilfe anbieten durften. Gott segne Euch, Vergelt’s Gott und habt großen Dank!
Unser Foto ist von der Linz-Tour vom Oktober 2021!