Armut, Obdachlosigkeit und profitoptimierte, unleistbare Mieten!
Immer mehr Menschen sind immer öfter direkt von Armut oder von Obdachlosigkeit betroffen.
Die Spirale dreht sich immer schneller und selbst ist man nur noch Passagier, man kann sich gegen diesen Abwärtstrend nicht wehren, alleine schafft man das nicht. Jede Spirale beginnt langsam, mit jeder zusätzlichen Belastung wird die Spirale immer schneller und immer tiefer. Meist beginnt es mit Scheidung, Krankheit, Insolvenz, Arbeitsplatzverlust o.ä. und bald schon spürt man die finanziellen Kürzungen. Vom Arbeitslosengeld lässt sich nur kurze Zeit ein Haushalt finanzieren, wenn das Arbeitslosengeld ausläuft und man Sozialhilfe (Mindestsicherung ist ja ausgelaufen) beantragen muss, wird’s schon ein großes Stück enger, finanziell. Einige unserer Schützlinge erhalten keine Mindestsicherung mehr und wurden in die Sozialhilfe neu transferiert, mit dem Ergebnis, dass die meisten statt €995,- Mindestsicherung nur noch €649,- erhalten. Mit der Sozialhilfe neu wurden die prekären Situationen noch viel prekärer, um einiges schwieriger.Der Wohnungsmarkt im oberösterreichischen Zentralraum ist für viele Menschen erschöpft, nicht mehr leistbar, perverse Kautionen und Vermittlerprovisionen sowie permanent unanständig hohe Mieten verschärfen die Schieflage nochmal um ein Vielfaches. Lt. Beiliegendem Mietspiegel 2021 für Linz bezahlt man 2021 in Linz für eine 60m² Wohnung, €636,60 kalt, OHNE Betriebskosten, hierfür muss man nochmal um die €180,- dazurechnen. Dann sind wir bereits bei €816,60, hier kommen noch die Kosten für Strom, Telefon, ev. Parkplatz/Tiefgarage u.v.a.m. dazu. Verbraucht man in einem kalten Winter dann mehr Heizleistung als berechnet, kommt eine saftige Nachzahlung. Wie soll sich das ein Mensch, der am sozialen Tropf hängt, leisten können? Von einem Kind, von einem Fahrzeug oder einem Urlaub ist hier ebenfalls noch keine Rede. Wenn jemand alleine lebt, oder vielleicht mit einem Kind, bleibt vermutlich noch ganz viel Monat, wenn das Portemonnaie schön vor Leere gähnt. Die verschiedenen Soziallleistungen werden Jahr für Jahr gekürzt oder gar gestrichen, vom Land O.Ö. geförderte Heizkosten gibt es schon lange nicht mehr für die Bedürftigen, und für etwaige Neukäufe an Geräten wie z.B. Waschmaschine, E-Herd oder Kühlschrank fehlt ohnehin das Geld. Hier gibt es vom Land O.Ö. eine einmalige Hilfe über €500,-, wobei man selbst das kaputte Gerät vorfinanzieren muss, und mit viel Glück bekommt man dann die Rechnung rückerstattet, sicher ist das jedoch nie.
Der Mietwahnsinn geht munter weiter, niemand greift wirklich ein und hält dieses Rad des Wahnsinns an. Die freie Marktwirtschaft „argumentiert“ man billig. Wer holt aber die Menschen in der Marktwirtschaft ab, die es alleine nicht mehr schaffen? Wer setzt sich ein für Menschen, die in Sprachlosigkeit versinken, weil sie niemals ahnten, in welche Richtung ihr Leben einmal gehen würde. Über Armut und Obdachlosigkeit zu referieren ist so gar nicht lustig, aber dringendst notwendig. Erst heute habe ich erfahren, dass manche Gesellschaftsschichten gänzlich die Obdachlosigkeit in unseren Reihen verleugnen und partout nicht sehen und verstehen wollen. Ja, man kann wegschauen, man muss sich diesem Thema nicht stellen, man muss auch nicht spenden, wenn man die betroffenen Menschen nicht unterstützen möchte, aber liebe Menschen, die mit armen und obdachlosen Menschen nichts am Hut haben, dann seid wenigstens so fair und menschlich und hört auf, über diese Menschen lautstark derb und abfällig zu schimpfen, dann hätten wir vieles erreicht.
Ein aktuelles Beispiel einer alten Dame zeigt, wie es schnell gehen kann, nichts mehr zu essen zu haben. Unsere Ulli sah in Facebook ein Inserat, wo es um einen Spendenaufruf für eine alte Dame gab. Nachgefragt um welche Situation es hier geht, sagten wir sofort Hilfe zu. Die Dame musste ihr Hunderl operieren lassen, das kostete sehr viel Geld, das nun der Dame für ihren Einkauf abgeht, schlicht sie hat kein Geld mehr, um für sich Lebensmittel einzukaufen. Ulli klärte das sofort telefonisch ab und sagte zu, die Dame am kommenden Dienstag zu Hause abzuholen, um ihr dann ein Carepaket in unserem Lager zu schnüren und zu übergeben. Am Telefon war Weihnachten, Ostern und Geburtstag auf einmal, für die Dame, große Freude, weil geholfen wird.
Ein weiterer Fall der an uns herangetragen wurde ist, eine junge Frau aus Ghana bekommt in Linz am 29.10.2021 ihr Baby, die Mutter lebt in Innsbruck, die junge Frau möchte nicht zurück nach Tirol, wo sie einige Zeit lebte. Durch Versäumnisse der Deutschkurse und anderen Auflagen wurden ihr Förderungen und Unterstützungen gestrichen. Die Frau braucht eine Wohnung für sich und für ihr Baby. Bei den Genossenschaften wird sie durch den Verlust der Rot-Weiß-Rot Karte nicht mehr bedient und muss am privaten Wohnungsmarkt schauen, dass sie etwas bekommt. Wir können hier mit Vermittlerprovision und Kaution etc. leider NICHT helfen, dürfen wir gar nicht.
Zurzeit werden uns täglich mehrere solche „Hilfeschreie“ geschickt, die unwahrscheinlich nahe gehen, aber wenn, wie in einem weiteren Fall den ich hier nicht näher porträtiere, Sach- und Lebensmittelspenden abgelehnt werden und ausschließlich darauf gesetzt wird, dass wir Bargeld auszahlen, dann tut es mir leid, Bargeld auszahlen DÜRFEN wir NICHT und machen wir NICHT! In solchen Situationen noch Hilfe ablehnen, verstehen wir als Obdachlosenhilfsaktion.at überhaupt nicht.
Morgen Samstag, 2.10.2021 fahren wir wieder die Linz-Tour, zu den Hotspots um unsere Schützlinge gut versorgt zu wissen. Über die Sommermonate fuhren wir ja nicht, aber jetzt wo es wieder nass und kalt wird, in der Nacht und generell, wollen und müssen wir diesen wertvollen Dienst wieder starten. Es ermöglicht uns einen direkten Draht zu den Menschen, die den Weg am Verteil-Donnerstag zu uns nicht schaffen, nicht kommen können. Und die Tour zu den Hotspots macht es uns jedes Mal anschaulich und deutlich, wie es Menschen treffen kann, da braucht man selbst gar nicht viel beisteuern, vieles passiert dann im Zuge der Abwärtsspirale von selbst. Ich freue mich schon sehr auf die Tour morgen Abend von 18.00 Uhr bis Mitternacht. Hier besuchen wir Florian, Gerald, Franziska, Georg, Affi, und alle anderen, die es aus eigenem Antrieb nicht zu uns schaffen.
Vormittag haben wir noch Spendenannahme im Lager, was immer auch anstrengend ist und diese Doppel- und Dreifachbelastungen an den Samstagen bzw. Dienstagen zu managen, das wird die Herausforderung diesen Winter werden. Toll wären halt Helfer/innen und Teammitglieder, die uns helfen all die Anstrengungen im Rahmen unserer Aktion zu stemmen. Jede helfende Hand ist herzlichst willkommen. Die Reste vom Umzugschaos werden nun auch langsam beseitigt, logische Lageranordnungen umstrukturieren und umsortieren, entsprechend kennzeichnen und Lagertechnisch verwalten.
Der Tag gestern begann um halb 6 Uhr früh mit einem Anruf eines Obdachlosen, der einen Freund suchte und nicht fand. An Tagen, wo man weiß, dass es sehr, sehr spät wird, eigentlich ein Fauxpas. Es sei ihm verziehen, manchmal wissen unsere Schützlinge halt nicht, wo sie sonst Infos einholen könnten, über Freunde oder Kollegen, deshalb rufen sie dann bei uns an in der Hoffnung, eine adäquate Antwort zu bekommen. Unser Verteil-Donnerstag gestern war wieder getragen von einer einzigartig tollen Stimmung im Lager. Um Punkt 9 Uhr kam unsere Silvia, die wir lange Zeit vermissten, ins Lager, um uns am Vormittag tatkräftigst zu unterstützen. Die Tiefkühl- und Kühlwaren habe ich am Mittwoch in Pasching abgeholt, die werden heute portioniert, neu verpackt und zum Verteilen wieder eingekühlt. Die Tiefkühltorten werden ebenfalls neu verpackt, sie werden jede Woche dankend angenommen. Zwischendurch nutzen wir im neuen Lager unsere neue Sitzmöglichkeit in der Essecke, um Dinge zu besprechen, um Situationen zu überdenken und künftige Schritte einzuleiten. Hier ist es ungemein gemütlich und angenehm, aber hier verquatscht man sich auch schnell und man übersieht schnell die Zeit. Eigentlich genau so wie es immer wieder ist, wenn man mit tollen Menschen zusammen sitzt.
Der Transporter ist schon zur Hälfte geladen als um 14 Uhr die restlichen Helferinnen kommen. Einiges ist noch zu besprechen, zu instruieren und einiges ist heute in Linz zu bedenken. Punkt 15 Uhr ist Abfahrt Richtung Linz, der Wettergott hat uns via App versprochen, dass es heute trocken und sonnig wird, wir sind gespannt. Bei der Ankunft warten noch nicht viele auf uns, jedoch beginnt die Schlange ziemlich schnell anzuschwellen, von allen Himmelsrichtungen kommen unsere Schützlinge zu uns. Altbekannte kommen heute nach ganz langer Zeit wieder zu uns, um unsere Aktion in Anspruch zu nehmen. Manche habe ich 2 Jahre nicht gesehen, ihnen allen erklären wir, dass wir Einkommensnachweise benötigen und erklären ihnen, welche Unterlagen wir brauchen, gleiches Recht und gleiche Pflicht für ALLE! G. besucht uns heute mit einem altbekannten „Freund“, G. geht es nicht gut, aber sie genießt ihr Zimmer am Gründberg, genießt es nicht mehr auf der Straße schlafen zu müssen. Wir haben den 30.9., das heißt die Sozialhilfe ist noch nicht ausbezahlt, für diejenigen die darauf Anspruch haben, in den Portemonnaies ist also gähnende Leere.
Manche verweisen auf die kalten Nächte und auf die nasskalte Zeit, in nächster Zeit brauchen einige Schützlinge warme Jacken, gute Winterschuhe, warme neue Socken und einen dichten Schlafsack mit Isomatten. Es geht jetzt in schnellen Schritten auf die kalte Jahreszeit zu, deshalb ja auch der Start unserer nächtlichen Linz-Tour. Wir haben wieder begonnen die Nächtigungsjetons für die Notschlafstelle auszugeben, die wir um € 4,06 je Nacht und je Person kaufen müssen, jeder bekommt je nach unseren Möglichkeiten entweder 2-3 Jetons, über die gesamte Saison summiert sich das ganz schön wie schon gesagt. Letzte Wintersaison bezahlten wir ganz viel Geld für den Ankauf dieser Jetons. Aber viele schaffen es einfach nicht, sich überhaupt selbst welche zu kaufen, deshalb springen wir hier gerne ein.
Dann kommt ein Gespräch mit einem alten Bekannten auf, der mir ein Polizei-Foto zeigt, wie ein Obdachloser grade von einem Kollegen, ebenfalls einem Obdachlosen die entwendete Bankomatkarte gnadenlos missbraucht und die letzten Euros abhebt. Dieses Foto macht mich wütend, macht mich traurig, liefert mich hilflos an meine Wut aus, die hier aber sinnlos ist, weil der „Täter“ heute nicht hier ist und ich ihm nicht sagen kann was ich gerne sagen würde. Aber das kommt noch, das kann und darf ich so nicht stehen lassen. Manchmal machen solche Menschen das Leben auf der Straße dann gänzlich unerträglich, weil hier auch nicht nur die Bankomatkarte entwendet und missbraucht wurde, sondern auch alle Dokumente, alle Papiere gestohlen und entsorgt wurden. Ich kann es nicht in Worte kleiden was ich fühle, wenn mir solche Sachen erzählt werden.
Der Verteil-Donnerstag vergeht recht schnell, Herr S. von der ÖBB, der einer von denen ist, die uns unsere Aktion hier auf ÖBB Grund erst ermöglichen, kommt auf ein kurzes Gespräch vorbei, es tut gut ihn zu sehen, immer wieder ein gutes, wenn auch kurzes Gespräch zu führen. An dieser Stelle eine tiefe Verneigung und ein demütiges Vergelt’s Gott an Herrn S. und Herrn R. von der ÖBB, die uns das hier alles ermöglichen. Auch an die gesamte Familie Stoyer von der Fa. TAB, auch hier ist längst eine tiefe Verneigung fällig, für all die Möglichkeiten, die uns erlaubt werden. DANKE! Heute ist unsere Maria auch wieder dabei, unglaublich wie strukturiert ein Mensch sein kann, ich bin jedes Mal wieder erstaunt, was Maria, Barbara, Petra und viele andere in unserem Verein bewältigen und umsetzen, ich ziehe meinen (unsichtbaren) Hut vor EUCH!
Langsam geht unser Verteil-Donnerstag heute zu Ende, 65 Schützlinge besuchten uns gestern hier in Linz, jede/r mit einem anderen Wunsch, einem anderen Schicksal und einer anders gelagerten Problematik. L. machte einen besonders traurigen Eindruck, es geht ihr nicht gut, man sieht von weitem, dass sie an der Grenze zum erträglichen ist, der leichteste Windhauch würde L. umwerfen. Ich fürchte L. bald nicht mehr begrüßen zu können. L. hat mir eine Blume mitgebracht, sie gab mir die Blume mit den Worten: „Dem besten Menschen, der je in meinem Leben war und mir geholfen hat“. Das liebe Leute, jagt einem schon ein paar Tränen in die Augenwinkel, wenn nicht die gesamte Situation von L. so traurig wäre, ich würde ihr gerne viel mehr helfen, sie müsste dringend weg von der Straße, weg aus dem Kanalsystem wo sie schläft. Wir packen um 18 Uhr zusammen, Markus und das gesamte Team ist beim zusammenräumen einfach spitze, jede/r bringt es logistisch auf den Punkt, alles ordnungsgemäß einzuladen, nach und nach.
Alle helfen zusammen, und dann Abfahrt ins Lager, ausladen…einlagern…noch ein paar Sätze mit den Kolleginnen austauschen, Barbara und Petra bleiben noch im Lager, ich auch, wir besprechen noch die Um Sortierungen, die nötig werden in den nächsten Wochen. Wir machen einen Schlachtplan, wie wir vorgehen werden, der verspricht tolles, aber es wird nochmal eine große Anstrengung werden. Mein Tag endet um 21.20 Uhr im Lager, ab nach Hause, bin müde und ausgelaugt, habe Hunger und bin aufgedreht als hätte ich 1 Kiste Cola getrunken, was ich nie tun würde, aber der gesamte Tag zeigt jetzt seine Spuren, ich muss runterkommen, ankommen daheim. Letztlich wird es wieder fast 3 Uhr früh, bis ich meine Ruhe finde, ein 21 Stunden Tag voller Ereignisse, voller Geschichten und voller Erklärungen. Bitte verzeiht, dass ich das donnerstags Posting erst heute einstelle, aber ich hätte es gestern nicht mehr geschafft. Ich war genauso geschafft wie unser Team, das gestern wieder großartiges leistete. Danke für Euer Verständnis. Lieben Dank an all unsere Gönner/innen und Spender/innen, die uns jede Woche diese, unsere Aktion erst ermöglichen. Vergelt’s Gott und eine tiefe Verneigung. 😊