Linz-Tour ohne Hoffnung auf eine Chance!
Update vom 27.3.2021: Unsere Linz-Tour nach einem anstrengenden, langen Lagertag ist trotzdem ein MUSS! Heute begleiten mich Ingrid Strassl und Silvia Ernhofer bei dem nächtlichen Streifzug zu den Hotspots.
Um 18 Uhr ist Treffpunkt bei der Metro, von wo aus wir nach Ebelsberg losstarten, zu Dominic, Thomas und Christian, der am Donnerstag aus der Haft entlassen wurde. Sarah, unser jüngstes Vereinsmitglied die sich rührend um alle Belange von Dominic kümmert und ihm täglich die Tabletten aushändigt, macht das richtig toll und pass somit richtig gut in unser engagiertes Team. Wir planen für Dominic, der alle Papiere wie Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde verloren hat und sich zur Zeit nicht mehr ausweisen kann, einen Ausweis zu besorgen, dafür muss ich seine Identität bestätigen, dann bekommt er eine neue E-Card und einen Ausweis. Das besprechen wir heute Abend, als wir uns mit Sarah in Ebelsberg unter der Brücke treffen. Wir lassen noch Lebensmittel und Hygieneartikel da und die Beiden gehen noch mit zum Bus, Thomas möchte noch Dosen Kaffee und Dominic hilft uns den Müll zum Bus zu bringen, 3 große Säcke voll werden kommenden Montag entsorgt.Dominic ist überglücklich dass wir ihm helfen und ihn begleiten, er begreift langsam dass wir keinerlei Versprechungen machen, die wir nicht halten. So soll's sein! Von Ebelsberg geht es wie gewohnt Richtung Linz zu A., die immer noch eine Arbeit als Industrietechnikerin (natürlich mit Ausbildung) oder in der Gastronomie sucht. A. klingt bedrückt, bemüht sich aber ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Von A. geht es direkt zum Schillerpark, wo 4 große Polizeiautos bei der Haltestelle stehen, teils mit Blaulicht, mittendrinnen ein Schützling der am Donnerstag zu unserem Bus kommt. Eine Frau behauptete, unser Schützling hätte ihrem Begleiter Geld gestohlen, was sich als unwahr herausstellte. Er ist verschreckt und traurig, dass man ihn verdächtigte. Wir gehen die Schillerparkrunde fertig ohne noch einen 2. Schützling zu finden. Nach dieser Polizeihandlung durfte er mit uns zum Bus gehen und wir konnten ihm Lebensmittel geben.
Vom Schillerpark fahren wir um die Ecke zum Volksgarten, gehen dort ebenfalls eine Runde, hier finden wir niemanden und somit begeben wir uns Richtung Bahnhof. Gaby freut sich uns zu sehen, wir händigen ihr das übliche aus, Unterhose, Socken und Lebensmittel. Und, heißen Tee, den wir heute wieder mitbringen. Der junge Mann vom Terminal geht auf und ab, nimmt gerne von uns einen Becher Tee und lehnt weitere Hilfe ab. Wir gehen vorbei an Elke, die Kopfüber auf ihrem Trolley schläft, zu Renate. Renate hat am Donnerstag Hausschuhe von uns bekommen, weil sie mit ihrem dicken Verband in keine Schuhe mehr kommt. Dicker Verband deshalb, weil Renate eine Vene platzte. Beim Helpmobil bekam sie am Freitag Schmerztabletten und einen neuen Verband. Renate hat das Leben auf der Straße satt, man sieht ihr deutlich an, dass sie bald nicht mehr kann, nicht mehr will, das Leben auf der Straße macht sie kaputt.
Leider habe ich zur Zeit auch keine Lösung als ihr das Leben auf der Straße so gut wie möglich zu erleichtern. Ich habe keine Wohnung die ich Renate vermitteln könnte, da sie diese vermutlich finanziell gar nicht schultern könnte. Das Schicksal schlägt oft zu, auf verschiedensten Arten, und immer trifft es die Menschen, die ohnehin schon vom Leben geprägt und mit haufenweise Lebens-Sondermüll ausgestattet sind. Auf die Butter- oder Sonnenseite ist keiner unserer Schützlinge gefallen, deshalb verurteile ich derbe Äußerungen von jemanden, der auf die Butterseite fiel und sich abwertend gegen Obdachlose moniert, ein absolutes NoGo! Wir gehen unsere Terminal-Runde und fahren um 20 Uhr weiter zur nächsten Station, Abbruchhaus am Freinberg. Nach mehrmaligem Schreien "Stefan", meldete sich niemand, ich öffne die Haustür unten und schreie wieder, auf einmal höre ich Stefan hochaggressiv: "Ich schlafe schon".
Irgendwie werde ich hier das Gefühl nicht los, dass wir nur willkommen sind wenn Stefan etwas dringend braucht, ansonsten gefällt mir sein Ton so gar nicht und werde das beim nächsten Treffen ansprechen. Also fahren wir weiter zu Florian, in die Nähe zur Donaulände. Florian ist gerade nicht bei einem Schlafplatz, nach ein paar Minuten kommt er und ich biete ihm warmen Tee, Unterwäsche, Socken, Handschuhe usw. an. Ja, bitte! Socken und Handschuhe. Ob wir eine Plane haben, da er unter einem Baum im freien schläft, braucht er eine neue Plane, 46er Clogs und vielleicht eine Jogginghose. Florian ist sehr schüchtern und tut sich immens schwer mit Hilfe. Er kommt mit zum Bus und ich sehe dass er ein Lächeln im Gesicht hat, er freut sich. Der Anblick seines Schlafplatzes unter einem Baum, unter einer löchrigen Plane ein kaputter Schlafsack, schmutzige, nasse Decken, diesen Schlafplatz sollten sich Menschen mal anschauen, die auf ganz hohem Niveau jammern und mit vielen Kleinigkeiten unzufrieden sind. HIER schlägt das Schicksal zu, erbarmungslos, nicht weil sich jemand z.B. keine Playstation kaufen kann, ist man "arm", sondern wenn man die wenigen, wichtigen Dinge im Leben nicht mehr hat wie z.B. ein trockenes, warmes Bett, eine Dusche, einen Tisch an dem man essen kann und einen Herd, auf dem man kleine Speisen zubereiten kann.
Für viele Schützlinge sind diese Sachen in weiter Ferne. Als wir uns von Florian verabschieden, fahren wir nach Urfahr zu Andy auf den Gründberg. Wir haben heute einen gespendeten Fernseher für ihn dabei. Leider muss ich Andy tief ins Gewissen reden, dass er endlich seine Verantwortung übernimmt und ein Duplikat seines Kran- und Staplerscheins besorgt. Seit 1 Woche habe ich Andy 4 Mal aufgefordert dieses Duplikat zu holen, bis jetzt vergeblich. Er verspricht mir am kommenden Montag hat er den Staplerschein in der Hand, ich lasse mich überraschen, sonst sehe ich schwarz. Ich habe Andy das alles direkt gesagt heute, dass er schneller wieder am Terminal als Obdachloser wäre, als ihm lieb sei. Er ist depressiv, angeschlagen und am Boden, darf alles sein, nur, liegenbleiben und im Selbstmitleid zu ertrinken gilt nicht, werde ich nicht zulassen. Ich mache Andy seine Situation klar, dass der Hut schon lichterloh brennt wenn er nicht endlich in die Gänge kommt, zuerst lächelte er noch, zum Schluss merkt er meine Ernsthaftigkeit und verspricht mir, das Duplikat bis Montagabend.
Von Andy geht es rüber zum Pleschingersee, alles ruhig, finster, bis wir in die Nähe des Caféhauses kommen, plötzlich stehen da links und rechts viele, viele schwere Mercedes, BMW's und ganz viele junge Menschen, die nur auf eines warten. Wir schauen schnell nach ob heute ein Obdachloser auf dem Campingplatz ist und fahren dann gleich wieder los, um diese Situation für uns aufzulösen, die Stimmung dort war nicht gut, war ernst und wenn etwas passieren sollte, wäre es meine Schuld. Deshalb fahren wir flott wieder weiter und lassen all die jungen Leute links liegen und wir suchen schnellstens das Weite. Nachdem es schon 21.55 Uhr ist fahren wir zum letzten Hotspot, Fernheizwerk, wo wieder niemand war. Wir beenden die heutige Tour und für unsere heutigen Helferleins war es wieder eine neue Sicht der gesamten Problematik, die sich Ihnen heute eröffnete.
Durch unsere Arbeit direkt an der Front der Obdachlosigkeit, sehen wir was hier los ist, Großteils erschütternd, schwer zu ertragen, beschämend und zum Teil ohne jeden Hoffnungsschimmer. Unsere Schützlinge schaffen den Weg aus dieser Situation nicht alleine, leider haben wir die personellen Ressourcen nicht, um dieses auch noch leisten zu können. Nach einem langen Lager- und Spendenannahmetag, verabschieden wir uns ins Wochenende, sagen Vergelt's Gott all unseren Spendern/innen, dass wir auch die heutige Tour fahren durften. Danke auch an unser Team für die absolut tolle Arbeit. Euch einen schönen Sonntag und alles liebe. 🙂